außer für Musik, und nur noch diese vermag Euch zu begeistern. Sie thun uns Unrecht, sagte der Blasse und bewegte die Achsel. Ach! seufzte er hinzu, Italien sitzt elegisch träumend auf seinen Ruinen, und wenn es dann manchmal bey der Melodie irgend eines Liedes plötzlich er¬ wacht und stürmisch emporspringt, so gilt diese Begeisterung nicht dem Liede selbst, sondern viel¬ mehr den alten Erinnerungen und Gefühlen, die das Lied ebenfalls geweckt hat, die Italien immer im Herzen trug, und die jetzt gewaltig hervorbrausen, -- und das ist die Bedeutung des tollen Lärms, den Sie in der Scala gehört haben.
Vielleicht gewährt dieses Bekenntniß auch einigen Aufschluß über den Enthusiasmus, den jenseits der Alpen Rossinis oder Mayerbeers Opern überall hervorbringen. Habe ich jemals menschliche Raserey gesehen, so war es bey einer
außer fuͤr Muſik, und nur noch dieſe vermag Euch zu begeiſtern. Sie thun uns Unrecht, ſagte der Blaſſe und bewegte die Achſel. Ach! ſeufzte er hinzu, Italien ſitzt elegiſch traͤumend auf ſeinen Ruinen, und wenn es dann manchmal bey der Melodie irgend eines Liedes ploͤtzlich er¬ wacht und ſtuͤrmiſch emporſpringt, ſo gilt dieſe Begeiſterung nicht dem Liede ſelbſt, ſondern viel¬ mehr den alten Erinnerungen und Gefuͤhlen, die das Lied ebenfalls geweckt hat, die Italien immer im Herzen trug, und die jetzt gewaltig hervorbrauſen, — und das iſt die Bedeutung des tollen Laͤrms, den Sie in der Scala gehoͤrt haben.
Vielleicht gewaͤhrt dieſes Bekenntniß auch einigen Aufſchluß uͤber den Enthuſiasmus, den jenſeits der Alpen Roſſinis oder Mayerbeers Opern uͤberall hervorbringen. Habe ich jemals menſchliche Raſerey geſehen, ſo war es bey einer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0175"n="167"/>
außer fuͤr Muſik, und nur noch dieſe vermag<lb/>
Euch zu begeiſtern. Sie thun uns Unrecht,<lb/>ſagte der Blaſſe und bewegte die Achſel. Ach!<lb/>ſeufzte er hinzu, Italien ſitzt elegiſch traͤumend<lb/>
auf ſeinen Ruinen, und wenn es dann manchmal<lb/>
bey der Melodie irgend eines Liedes ploͤtzlich er¬<lb/>
wacht und ſtuͤrmiſch emporſpringt, ſo gilt dieſe<lb/>
Begeiſterung nicht dem Liede ſelbſt, ſondern viel¬<lb/>
mehr den alten Erinnerungen und Gefuͤhlen,<lb/>
die das Lied ebenfalls geweckt hat, die Italien<lb/>
immer im Herzen trug, und die jetzt gewaltig<lb/>
hervorbrauſen, — und das iſt die Bedeutung<lb/>
des tollen Laͤrms, den Sie in der Scala gehoͤrt<lb/>
haben.</p><lb/><p>Vielleicht gewaͤhrt dieſes Bekenntniß auch<lb/>
einigen Aufſchluß uͤber den Enthuſiasmus, den<lb/>
jenſeits der Alpen Roſſinis oder Mayerbeers<lb/>
Opern uͤberall hervorbringen. Habe ich jemals<lb/>
menſchliche Raſerey geſehen, ſo war es bey einer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0175]
außer fuͤr Muſik, und nur noch dieſe vermag
Euch zu begeiſtern. Sie thun uns Unrecht,
ſagte der Blaſſe und bewegte die Achſel. Ach!
ſeufzte er hinzu, Italien ſitzt elegiſch traͤumend
auf ſeinen Ruinen, und wenn es dann manchmal
bey der Melodie irgend eines Liedes ploͤtzlich er¬
wacht und ſtuͤrmiſch emporſpringt, ſo gilt dieſe
Begeiſterung nicht dem Liede ſelbſt, ſondern viel¬
mehr den alten Erinnerungen und Gefuͤhlen,
die das Lied ebenfalls geweckt hat, die Italien
immer im Herzen trug, und die jetzt gewaltig
hervorbrauſen, — und das iſt die Bedeutung
des tollen Laͤrms, den Sie in der Scala gehoͤrt
haben.
Vielleicht gewaͤhrt dieſes Bekenntniß auch
einigen Aufſchluß uͤber den Enthuſiasmus, den
jenſeits der Alpen Roſſinis oder Mayerbeers
Opern uͤberall hervorbringen. Habe ich jemals
menſchliche Raſerey geſehen, ſo war es bey einer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/175>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.