Charakter, und wäre seit seinem Tode nichts mehr daran gebaut worden, so bliebe ein histo¬ risches Denkmal von dem Geiste jenes prosaisch wundersamen Helden, der die raffinirte Geschmack¬ losigkeit und blühende Verstandesfreyheit, das Seichte und das Tüchtige seiner Zeit, recht deutsch-tapfer in sich ausgebildet hatte. Potsdam z. B. erscheint uns als ein solches Denkmal, durch seine öden Straßen wandern wir wie durch die hinterlassenen Schriftwerke des Philo¬ sophen von Sanssouci, es gehört zu dessen oeuvres posthumes, und obgleich es jetzt nur steinernes Makulatur ist und des Lächerlichen genug enthält, so betrachten wir es doch mit ernstem Interesse, und unterdrücken hie und da eine aufsteigende Lachlust, als fürchteten wir plötzlich einen Schlag auf den Rücken zu be¬ kommen, wie von dem spanischen Röhrchen des großen Fritz. Solche Furcht aber befällt uns nimmermehr in Berlin, da fühlen wir, daß der
Charakter, und waͤre ſeit ſeinem Tode nichts mehr daran gebaut worden, ſo bliebe ein hiſto¬ riſches Denkmal von dem Geiſte jenes proſaiſch wunderſamen Helden, der die raffinirte Geſchmack¬ loſigkeit und bluͤhende Verſtandesfreyheit, das Seichte und das Tuͤchtige ſeiner Zeit, recht deutſch-tapfer in ſich ausgebildet hatte. Potsdam z. B. erſcheint uns als ein ſolches Denkmal, durch ſeine oͤden Straßen wandern wir wie durch die hinterlaſſenen Schriftwerke des Philo¬ ſophen von Sansſouci, es gehoͤrt zu deſſen oeuvres posthumes, und obgleich es jetzt nur ſteinernes Makulatur iſt und des Laͤcherlichen genug enthaͤlt, ſo betrachten wir es doch mit ernſtem Intereſſe, und unterdruͤcken hie und da eine aufſteigende Lachluſt, als fuͤrchteten wir ploͤtzlich einen Schlag auf den Ruͤcken zu be¬ kommen, wie von dem ſpaniſchen Roͤhrchen des großen Fritz. Solche Furcht aber befaͤllt uns nimmermehr in Berlin, da fuͤhlen wir, daß der
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Charakter, und waͤre ſeit ſeinem Tode nichts
mehr daran gebaut worden, ſo bliebe ein hiſto¬
riſches Denkmal von dem Geiſte jenes proſaiſch
wunderſamen Helden, der die raffinirte Geſchmack¬
loſigkeit und bluͤhende Verſtandesfreyheit, das
Seichte und das Tuͤchtige ſeiner Zeit, recht
deutſch-tapfer in ſich ausgebildet hatte. Potsdam
z. B. erſcheint uns als ein ſolches Denkmal,
durch ſeine oͤden Straßen wandern wir wie
durch die hinterlaſſenen Schriftwerke des Philo¬
ſophen von Sansſouci, es gehoͤrt zu deſſen
oeuvres posthumes, und obgleich es jetzt nur
ſteinernes Makulatur iſt und des Laͤcherlichen
genug enthaͤlt, ſo betrachten wir es doch mit
ernſtem Intereſſe, und unterdruͤcken hie und da
eine aufſteigende Lachluſt, als fuͤrchteten wir
ploͤtzlich einen Schlag auf den Ruͤcken zu be¬
kommen, wie von dem ſpaniſchen Roͤhrchen des
großen Fritz. Solche Furcht aber befaͤllt uns
nimmermehr in Berlin, da fuͤhlen wir, daß der
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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