Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

marmorkalt -- auf ihren kalten Herzen erfrieren
die armen --

Oho! ich kenne einen -- der dort nicht
erfroren ist, und frisch und gesund übers Meer
gesprungen, und es war ein großer, deutscher,
impertinenter --

Er hat sich wenigstens an den brittisch frosti¬
gen Herzen so stark erkältet, daß er noch jetzt
davon den Schnupfen hat.

Mylady schien piquirt über diese Antwort,
sie ergriff die Reitgerte, die zwischen den Blättern
eines Romans, als Lesezeichen, lag, schwang sie
um die Ohren ihres weißen Jagdhundes, der
leise knurrte, hob hastig ihren Hut von der
Erde, setzte ihn keck aufs Lockenhaupt, sah ein
paar mal wohlgefällig in den Spiegel, und sprach
stolz: Ich bin noch schön! Aber plötzlich, wie
von einem dunkeln Schmerzgefühl durchschauert,
blieb sie sinnend stehen, streifte langsam ihren
weißen Handschuh von der Hand, reichte sie mir,

marmorkalt — auf ihren kalten Herzen erfrieren
die armen —

Oho! ich kenne einen — der dort nicht
erfroren iſt, und friſch und geſund uͤbers Meer
geſprungen, und es war ein großer, deutſcher,
impertinenter —

Er hat ſich wenigſtens an den brittiſch froſti¬
gen Herzen ſo ſtark erkaͤltet, daß er noch jetzt
davon den Schnupfen hat.

Mylady ſchien piquirt uͤber dieſe Antwort,
ſie ergriff die Reitgerte, die zwiſchen den Blaͤttern
eines Romans, als Leſezeichen, lag, ſchwang ſie
um die Ohren ihres weißen Jagdhundes, der
leiſe knurrte, hob haſtig ihren Hut von der
Erde, ſetzte ihn keck aufs Lockenhaupt, ſah ein
paar mal wohlgefaͤllig in den Spiegel, und ſprach
ſtolz: Ich bin noch ſchoͤn! Aber ploͤtzlich, wie
von einem dunkeln Schmerzgefuͤhl durchſchauert,
blieb ſie ſinnend ſtehen, ſtreifte langſam ihren
weißen Handſchuh von der Hand, reichte ſie mir,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0231" n="223"/>
marmorkalt &#x2014; auf ihren kalten Herzen erfrieren<lb/>
die armen &#x2014;</p><lb/>
          <p>Oho! ich kenne einen &#x2014; der dort nicht<lb/>
erfroren i&#x017F;t, und fri&#x017F;ch und ge&#x017F;und u&#x0364;bers Meer<lb/>
ge&#x017F;prungen, und es war ein großer, deut&#x017F;cher,<lb/>
impertinenter &#x2014;</p><lb/>
          <p>Er hat &#x017F;ich wenig&#x017F;tens an den britti&#x017F;ch fro&#x017F;ti¬<lb/>
gen Herzen &#x017F;o &#x017F;tark erka&#x0364;ltet, daß er noch jetzt<lb/>
davon den Schnupfen hat.</p><lb/>
          <p>Mylady &#x017F;chien piquirt u&#x0364;ber die&#x017F;e Antwort,<lb/>
&#x017F;ie ergriff die Reitgerte, die zwi&#x017F;chen den Bla&#x0364;ttern<lb/>
eines Romans, als Le&#x017F;ezeichen, lag, &#x017F;chwang &#x017F;ie<lb/>
um die Ohren ihres weißen Jagdhundes, der<lb/>
lei&#x017F;e knurrte, hob ha&#x017F;tig ihren Hut von der<lb/>
Erde, &#x017F;etzte ihn keck aufs Lockenhaupt, &#x017F;ah ein<lb/>
paar mal wohlgefa&#x0364;llig in den Spiegel, und &#x017F;prach<lb/>
&#x017F;tolz: Ich bin noch &#x017F;cho&#x0364;n! Aber plo&#x0364;tzlich, wie<lb/>
von einem dunkeln Schmerzgefu&#x0364;hl durch&#x017F;chauert,<lb/>
blieb &#x017F;ie &#x017F;innend &#x017F;tehen, &#x017F;treifte lang&#x017F;am ihren<lb/>
weißen Hand&#x017F;chuh von der Hand, reichte &#x017F;ie mir,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0231] marmorkalt — auf ihren kalten Herzen erfrieren die armen — Oho! ich kenne einen — der dort nicht erfroren iſt, und friſch und geſund uͤbers Meer geſprungen, und es war ein großer, deutſcher, impertinenter — Er hat ſich wenigſtens an den brittiſch froſti¬ gen Herzen ſo ſtark erkaͤltet, daß er noch jetzt davon den Schnupfen hat. Mylady ſchien piquirt uͤber dieſe Antwort, ſie ergriff die Reitgerte, die zwiſchen den Blaͤttern eines Romans, als Leſezeichen, lag, ſchwang ſie um die Ohren ihres weißen Jagdhundes, der leiſe knurrte, hob haſtig ihren Hut von der Erde, ſetzte ihn keck aufs Lockenhaupt, ſah ein paar mal wohlgefaͤllig in den Spiegel, und ſprach ſtolz: Ich bin noch ſchoͤn! Aber ploͤtzlich, wie von einem dunkeln Schmerzgefuͤhl durchſchauert, blieb ſie ſinnend ſtehen, ſtreifte langſam ihren weißen Handſchuh von der Hand, reichte ſie mir,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/231
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/231>, abgerufen am 24.11.2024.