[stie]selknechtlicher Gestalt, über die ganze Stadt [er]hebt und die Schatten und Gespenster des Mittelalters in seinem Schooße verbirgt. Mit eben so wenig Unmuth, ja sogar mit spaßhaf¬ ter Rührung, betrachten wir die haarbeuteligen Schlösser der spätern Periode, die plump deut¬ schen Nachäffungen der glatt französischen Un¬ natur, die Prachtgebäude der Abgeschmacktheit, toll schnörkelhaft von Außen, von Innen noch putziger dekorirt mit schreyend bunten Allegorien, vergoldeten Arabesken, Stukkaturen, und jenen Schildereyen, worauf die seligen hohen Herr¬ schaften abkonterfeyt sind: die Cavaliere mit rothen, betrunken nüchternen Gesichtern, worüber die Alongeperücken, wie gepuderte Löwenmähnen, herabhängen, die Damen mit steifem Toupet, stählernem Corset, das ihr Herz zusammenschnürte, und ungeheurem Reifrock, der ihnen desto mehr pro¬ saische Ausdehnung gewährte. Wie gesagt, dieser Anblick verstimmt uns nicht, er trägt vielmehr
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[ſtie]ſelknechtlicher Geſtalt, uͤber die ganze Stadt [er]hebt und die Schatten und Geſpenſter des Mittelalters in ſeinem Schooße verbirgt. Mit eben ſo wenig Unmuth, ja ſogar mit ſpaßhaf¬ ter Ruͤhrung, betrachten wir die haarbeuteligen Schloͤſſer der ſpaͤtern Periode, die plump deut¬ ſchen Nachaͤffungen der glatt franzoͤſiſchen Un¬ natur, die Prachtgebaͤude der Abgeſchmacktheit, toll ſchnoͤrkelhaft von Außen, von Innen noch putziger dekorirt mit ſchreyend bunten Allegorien, vergoldeten Arabesken, Stukkaturen, und jenen Schildereyen, worauf die ſeligen hohen Herr¬ ſchaften abkonterfeyt ſind: die Cavaliere mit rothen, betrunken nuͤchternen Geſichtern, woruͤber die Alongeperuͤcken, wie gepuderte Loͤwenmaͤhnen, herabhaͤngen, die Damen mit ſteifem Toupet, ſtaͤhlernem Corſet, das ihr Herz zuſammenſchnuͤrte, und ungeheurem Reifrock, der ihnen deſto mehr pro¬ ſaiſche Ausdehnung gewaͤhrte. Wie geſagt, dieſer Anblick verſtimmt uns nicht, er traͤgt vielmehr
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[17/0025]
ſtieſelknechtlicher Geſtalt, uͤber die ganze Stadt
erhebt und die Schatten und Geſpenſter des
Mittelalters in ſeinem Schooße verbirgt. Mit
eben ſo wenig Unmuth, ja ſogar mit ſpaßhaf¬
ter Ruͤhrung, betrachten wir die haarbeuteligen
Schloͤſſer der ſpaͤtern Periode, die plump deut¬
ſchen Nachaͤffungen der glatt franzoͤſiſchen Un¬
natur, die Prachtgebaͤude der Abgeſchmacktheit,
toll ſchnoͤrkelhaft von Außen, von Innen noch
putziger dekorirt mit ſchreyend bunten Allegorien,
vergoldeten Arabesken, Stukkaturen, und jenen
Schildereyen, worauf die ſeligen hohen Herr¬
ſchaften abkonterfeyt ſind: die Cavaliere mit
rothen, betrunken nuͤchternen Geſichtern, woruͤber
die Alongeperuͤcken, wie gepuderte Loͤwenmaͤhnen,
herabhaͤngen, die Damen mit ſteifem Toupet,
ſtaͤhlernem Corſet, das ihr Herz zuſammenſchnuͤrte,
und ungeheurem Reifrock, der ihnen deſto mehr pro¬
ſaiſche Ausdehnung gewaͤhrte. Wie geſagt, dieſer
Anblick verſtimmt uns nicht, er traͤgt vielmehr
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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