Dichter, dessen Lieder, obgleich er sie schon vor zwanzig Jahren gedichtet, noch jetzt in ganz Italien klingen, und mit der süßen Liebesgluth, die in ihnen flammt, Alt und Jung berauschen; -- derweilen er selbst jetzt nur ein armer, veralteter Mensch ist, mit blassen Augen im welken Ge¬ sichte, dünnen weißen Härchen auf dem schwan¬ kenden Kopfe, und kalter Armuth im kümmer¬ lichen Herzen. So ein armer, alter Dichter mit seiner kahlen Hölzernheit, gleicht den Weinstöcken, die wir im Winter, auf den kalten Bergen stehen sehen, dürr und laublos, im Winde zitternd und von Schnee bedeckt, während der süße Moost, der ihnen einst entquoll, in den fernsten Landen gar manches Zecherherz erwärmt und zu ihrem Lobe berauscht. Wer weiß, wenn einst die Kelter der Gedanken, die Druckerpresse, auch mich ausge¬ preßt hat, und nur noch im Verlagskeller von Hoffmann und Campe der alte, abgezapfte Geist zu finden ist, sitze ich selbst vielleicht eben so
Dichter, deſſen Lieder, obgleich er ſie ſchon vor zwanzig Jahren gedichtet, noch jetzt in ganz Italien klingen, und mit der ſuͤßen Liebesgluth, die in ihnen flammt, Alt und Jung berauſchen; — derweilen er ſelbſt jetzt nur ein armer, veralteter Menſch iſt, mit blaſſen Augen im welken Ge¬ ſichte, duͤnnen weißen Haͤrchen auf dem ſchwan¬ kenden Kopfe, und kalter Armuth im kuͤmmer¬ lichen Herzen. So ein armer, alter Dichter mit ſeiner kahlen Hoͤlzernheit, gleicht den Weinſtoͤcken, die wir im Winter, auf den kalten Bergen ſtehen ſehen, duͤrr und laublos, im Winde zitternd und von Schnee bedeckt, waͤhrend der ſuͤße Mooſt, der ihnen einſt entquoll, in den fernſten Landen gar manches Zecherherz erwaͤrmt und zu ihrem Lobe berauſcht. Wer weiß, wenn einſt die Kelter der Gedanken, die Druckerpreſſe, auch mich ausge¬ preßt hat, und nur noch im Verlagskeller von Hoffmann und Campe der alte, abgezapfte Geiſt zu finden iſt, ſitze ich ſelbſt vielleicht eben ſo
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Dichter, deſſen Lieder, obgleich er ſie ſchon vor
zwanzig Jahren gedichtet, noch jetzt in ganz
Italien klingen, und mit der ſuͤßen Liebesgluth,
die in ihnen flammt, Alt und Jung berauſchen; —
derweilen er ſelbſt jetzt nur ein armer, veralteter
Menſch iſt, mit blaſſen Augen im welken Ge¬
ſichte, duͤnnen weißen Haͤrchen auf dem ſchwan¬
kenden Kopfe, und kalter Armuth im kuͤmmer¬
lichen Herzen. So ein armer, alter Dichter mit
ſeiner kahlen Hoͤlzernheit, gleicht den Weinſtoͤcken,
die wir im Winter, auf den kalten Bergen ſtehen
ſehen, duͤrr und laublos, im Winde zitternd und
von Schnee bedeckt, waͤhrend der ſuͤße Mooſt,
der ihnen einſt entquoll, in den fernſten Landen gar
manches Zecherherz erwaͤrmt und zu ihrem Lobe
berauſcht. Wer weiß, wenn einſt die Kelter der
Gedanken, die Druckerpreſſe, auch mich ausge¬
preßt hat, und nur noch im Verlagskeller von
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/264>, abgerufen am 22.11.2024.
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