Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

gelber wird, so wird auch Ihre Schönheit mit
jedem Jahre desto reifer.

Die Dame schien mit dieser Vergleichung
zufrieden zu seyn, und gestand ebenfalls, daß
sie sich wirklich reifer fühle als sonst, beson¬
ders gegen damals, wo sie noch ein dünnes
Ding gewesen und zuerst in Bologna auf¬
getreten sey, und daß sie noch jetzt nicht
begreife, wie sie in solcher Gestalt so viel
Furore habe machen können. Und nun erzählte sie
ihr Debüt als Ariadne, worauf sie, wie ich spä¬
ter entdeckte, sehr oft zurückkam, bey welcher
Gelegenheit auch Signor Bartolo das Gedicht
deklamiren mußte, das er ihr damals aufs Theater
geworfen. Es war ein gutes Gedicht, voll rüh¬
render Trauer über Theseus Treulosigkeit, voll
blinder Begeisterung für Bachus und blühender Ver¬
herrlichung Ariadne's. Bella cosa! rief Signora
Laetizia bey jeder Strophe, und auch ich lobte

gelber wird, ſo wird auch Ihre Schoͤnheit mit
jedem Jahre deſto reifer.

Die Dame ſchien mit dieſer Vergleichung
zufrieden zu ſeyn, und geſtand ebenfalls, daß
ſie ſich wirklich reifer fuͤhle als ſonſt, beſon¬
ders gegen damals, wo ſie noch ein duͤnnes
Ding geweſen und zuerſt in Bologna auf¬
getreten ſey, und daß ſie noch jetzt nicht
begreife, wie ſie in ſolcher Geſtalt ſo viel
Furore habe machen koͤnnen. Und nun erzaͤhlte ſie
ihr Debuͤt als Ariadne, worauf ſie, wie ich ſpaͤ¬
ter entdeckte, ſehr oft zuruͤckkam, bey welcher
Gelegenheit auch Signor Bartolo das Gedicht
deklamiren mußte, das er ihr damals aufs Theater
geworfen. Es war ein gutes Gedicht, voll ruͤh¬
render Trauer uͤber Theſeus Treuloſigkeit, voll
blinder Begeiſterung fuͤr Bachus und bluͤhender Ver¬
herrlichung Ariadne's. Bella coſa! rief Signora
Laetizia bey jeder Strophe, und auch ich lobte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0289" n="281"/>
gelber wird, &#x017F;o wird auch Ihre Scho&#x0364;nheit mit<lb/>
jedem Jahre de&#x017F;to reifer.</p><lb/>
          <p>Die Dame &#x017F;chien mit die&#x017F;er Vergleichung<lb/>
zufrieden zu &#x017F;eyn, und ge&#x017F;tand ebenfalls, daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich wirklich reifer fu&#x0364;hle als &#x017F;on&#x017F;t, be&#x017F;on¬<lb/>
ders gegen damals, wo &#x017F;ie noch ein du&#x0364;nnes<lb/>
Ding gewe&#x017F;en und zuer&#x017F;t in Bologna auf¬<lb/>
getreten &#x017F;ey, und daß &#x017F;ie noch jetzt nicht<lb/>
begreife, wie &#x017F;ie in &#x017F;olcher Ge&#x017F;talt &#x017F;o viel<lb/>
Furore habe machen ko&#x0364;nnen. Und nun erza&#x0364;hlte &#x017F;ie<lb/>
ihr Debu&#x0364;t als Ariadne, worauf &#x017F;ie, wie ich &#x017F;pa&#x0364;¬<lb/>
ter entdeckte, &#x017F;ehr oft zuru&#x0364;ckkam, bey welcher<lb/>
Gelegenheit auch Signor Bartolo das Gedicht<lb/>
deklamiren mußte, das er ihr damals aufs Theater<lb/>
geworfen. Es war ein gutes Gedicht, voll ru&#x0364;<lb/>
render Trauer u&#x0364;ber The&#x017F;eus Treulo&#x017F;igkeit, voll<lb/>
blinder Begei&#x017F;terung fu&#x0364;r Bachus und blu&#x0364;hender Ver¬<lb/>
herrlichung Ariadne's. Bella co&#x017F;a! rief Signora<lb/>
Laetizia bey jeder Strophe, und auch ich lobte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0289] gelber wird, ſo wird auch Ihre Schoͤnheit mit jedem Jahre deſto reifer. Die Dame ſchien mit dieſer Vergleichung zufrieden zu ſeyn, und geſtand ebenfalls, daß ſie ſich wirklich reifer fuͤhle als ſonſt, beſon¬ ders gegen damals, wo ſie noch ein duͤnnes Ding geweſen und zuerſt in Bologna auf¬ getreten ſey, und daß ſie noch jetzt nicht begreife, wie ſie in ſolcher Geſtalt ſo viel Furore habe machen koͤnnen. Und nun erzaͤhlte ſie ihr Debuͤt als Ariadne, worauf ſie, wie ich ſpaͤ¬ ter entdeckte, ſehr oft zuruͤckkam, bey welcher Gelegenheit auch Signor Bartolo das Gedicht deklamiren mußte, das er ihr damals aufs Theater geworfen. Es war ein gutes Gedicht, voll ruͤh¬ render Trauer uͤber Theſeus Treuloſigkeit, voll blinder Begeiſterung fuͤr Bachus und bluͤhender Ver¬ herrlichung Ariadne's. Bella coſa! rief Signora Laetizia bey jeder Strophe, und auch ich lobte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/289
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/289>, abgerufen am 22.11.2024.