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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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ist, wenn man sich auf den Appeninen verliebt
hat. Man gebehrdet sich nemlich wie ein Narr,
man tanzt über Hügel und Felsen und glaubt,
die ganze Welt tanze mit. Zu Muthe ist einem
dabey, als sey die Welt erst heute erschaffen
worden, und man sey der erste Mensch. Ach,
wie schön ist das Alles! jauchzte ich, als ich
Franscheskas Wohnung verlassen hatte. Wie
schön und kostbar ist diese neue Welt! Es war
mir, als müßte ich allen Pflanzen und Thieren
einen Namen geben, und ich benannte Alles nach
seiner innern Natur und nach meinem eignen
Gefühl, das mit den Außendingen so wunderbar
verschmolz. Meine Brust war eine Quelle von
Offenbarung, und ich verstand alle Formen und
Gestaltungen, den Duft der Pflanzen, den Ge¬
sang der Vögel, das Pfeifen des Windes und
das Rauschen der Wasserfälle. Manchmal hörte
ich auch die göttliche Stimme: Adam, wo bist
du? Hier bin ich, Franscheska, rief ich dann,

iſt, wenn man ſich auf den Appeninen verliebt
hat. Man gebehrdet ſich nemlich wie ein Narr,
man tanzt uͤber Huͤgel und Felſen und glaubt,
die ganze Welt tanze mit. Zu Muthe iſt einem
dabey, als ſey die Welt erſt heute erſchaffen
worden, und man ſey der erſte Menſch. Ach,
wie ſchoͤn iſt das Alles! jauchzte ich, als ich
Franſcheskas Wohnung verlaſſen hatte. Wie
ſchoͤn und koſtbar iſt dieſe neue Welt! Es war
mir, als muͤßte ich allen Pflanzen und Thieren
einen Namen geben, und ich benannte Alles nach
ſeiner innern Natur und nach meinem eignen
Gefuͤhl, das mit den Außendingen ſo wunderbar
verſchmolz. Meine Bruſt war eine Quelle von
Offenbarung, und ich verſtand alle Formen und
Geſtaltungen, den Duft der Pflanzen, den Ge¬
ſang der Voͤgel, das Pfeifen des Windes und
das Rauſchen der Waſſerfaͤlle. Manchmal hoͤrte
ich auch die goͤttliche Stimme: Adam, wo biſt
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[290/0298] iſt, wenn man ſich auf den Appeninen verliebt hat. Man gebehrdet ſich nemlich wie ein Narr, man tanzt uͤber Huͤgel und Felſen und glaubt, die ganze Welt tanze mit. Zu Muthe iſt einem dabey, als ſey die Welt erſt heute erſchaffen worden, und man ſey der erſte Menſch. Ach, wie ſchoͤn iſt das Alles! jauchzte ich, als ich Franſcheskas Wohnung verlaſſen hatte. Wie ſchoͤn und koſtbar iſt dieſe neue Welt! Es war mir, als muͤßte ich allen Pflanzen und Thieren einen Namen geben, und ich benannte Alles nach ſeiner innern Natur und nach meinem eignen Gefuͤhl, das mit den Außendingen ſo wunderbar verſchmolz. Meine Bruſt war eine Quelle von Offenbarung, und ich verſtand alle Formen und Geſtaltungen, den Duft der Pflanzen, den Ge¬ ſang der Voͤgel, das Pfeifen des Windes und das Rauſchen der Waſſerfaͤlle. Manchmal hoͤrte ich auch die goͤttliche Stimme: Adam, wo biſt du? Hier bin ich, Franſcheska, rief ich dann,

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/298>, abgerufen am 22.11.2024.