Während der Markese diese Worte mit war¬ mem Gefühl deklamirte, und der glatte Mist ihm gleichsam auf der Zunge schmolz, schnitt Hyazinth die widersprechendsten Gesichter, zugleich verdrie߬ lich und beyfällig, und endlich sprach er:
Herr Markese, Sie sprechen wie ein Buch, auch die Verse gehen Ihnen wieder so leicht ab wie diese Nacht, aber ihr Inhalt will mir nicht gefallen. Als Mann fühle ich mich geschmeichelt, daß der Graf Platen uns den Vorzug giebt vor den Weibern, und als Freund von den Weibern bin ich wieder ein Gegner von solch einem Manne. So ist der Mensch! Der Eine ißt gern Zwiebeln, der Andere hat mehr Gefühl für warme Freundschaft, und ich, als ehrlicher Mann, muß aufrichtig gestehen, ich esse gern Zwiebeln, und eine schiefe Köchin ist mir lieber als der schönste Schönheitsfreund. Ja, ich muß gestehen, ich sehe nicht so viel Schönes am männlichen Geschlecht, daß man sich darin verlieben sollte.
Waͤhrend der Markeſe dieſe Worte mit war¬ mem Gefuͤhl deklamirte, und der glatte Miſt ihm gleichſam auf der Zunge ſchmolz, ſchnitt Hyazinth die widerſprechendſten Geſichter, zugleich verdrie߬ lich und beyfaͤllig, und endlich ſprach er:
Herr Markeſe, Sie ſprechen wie ein Buch, auch die Verſe gehen Ihnen wieder ſo leicht ab wie dieſe Nacht, aber ihr Inhalt will mir nicht gefallen. Als Mann fuͤhle ich mich geſchmeichelt, daß der Graf Platen uns den Vorzug giebt vor den Weibern, und als Freund von den Weibern bin ich wieder ein Gegner von ſolch einem Manne. So iſt der Menſch! Der Eine ißt gern Zwiebeln, der Andere hat mehr Gefuͤhl fuͤr warme Freundſchaft, und ich, als ehrlicher Mann, muß aufrichtig geſtehen, ich eſſe gern Zwiebeln, und eine ſchiefe Koͤchin iſt mir lieber als der ſchoͤnſte Schoͤnheitsfreund. Ja, ich muß geſtehen, ich ſehe nicht ſo viel Schoͤnes am maͤnnlichen Geſchlecht, daß man ſich darin verlieben ſollte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0354"n="346"/><p>Waͤhrend der Markeſe dieſe Worte mit war¬<lb/>
mem Gefuͤhl deklamirte, und der glatte Miſt ihm<lb/>
gleichſam auf der Zunge ſchmolz, ſchnitt Hyazinth<lb/>
die widerſprechendſten Geſichter, zugleich verdrie߬<lb/>
lich und beyfaͤllig, und endlich ſprach er:</p><lb/><p>Herr Markeſe, Sie ſprechen wie ein Buch,<lb/>
auch die Verſe gehen Ihnen wieder ſo leicht ab<lb/>
wie dieſe Nacht, aber ihr Inhalt will mir nicht<lb/>
gefallen. Als Mann fuͤhle ich mich geſchmeichelt,<lb/>
daß der Graf Platen uns den Vorzug giebt vor<lb/>
den Weibern, und als Freund von den Weibern<lb/>
bin ich wieder ein Gegner von ſolch einem Manne.<lb/>
So iſt der Menſch! Der Eine ißt gern Zwiebeln, der<lb/>
Andere hat mehr Gefuͤhl fuͤr warme Freundſchaft,<lb/>
und ich, als ehrlicher Mann, muß aufrichtig geſtehen,<lb/>
ich eſſe gern Zwiebeln, und eine ſchiefe Koͤchin iſt<lb/>
mir lieber als der ſchoͤnſte Schoͤnheitsfreund.<lb/>
Ja, ich muß geſtehen, ich ſehe nicht ſo viel<lb/>
Schoͤnes am maͤnnlichen Geſchlecht, daß man ſich<lb/>
darin verlieben ſollte.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[346/0354]
Waͤhrend der Markeſe dieſe Worte mit war¬
mem Gefuͤhl deklamirte, und der glatte Miſt ihm
gleichſam auf der Zunge ſchmolz, ſchnitt Hyazinth
die widerſprechendſten Geſichter, zugleich verdrie߬
lich und beyfaͤllig, und endlich ſprach er:
Herr Markeſe, Sie ſprechen wie ein Buch,
auch die Verſe gehen Ihnen wieder ſo leicht ab
wie dieſe Nacht, aber ihr Inhalt will mir nicht
gefallen. Als Mann fuͤhle ich mich geſchmeichelt,
daß der Graf Platen uns den Vorzug giebt vor
den Weibern, und als Freund von den Weibern
bin ich wieder ein Gegner von ſolch einem Manne.
So iſt der Menſch! Der Eine ißt gern Zwiebeln, der
Andere hat mehr Gefuͤhl fuͤr warme Freundſchaft,
und ich, als ehrlicher Mann, muß aufrichtig geſtehen,
ich eſſe gern Zwiebeln, und eine ſchiefe Koͤchin iſt
mir lieber als der ſchoͤnſte Schoͤnheitsfreund.
Ja, ich muß geſtehen, ich ſehe nicht ſo viel
Schoͤnes am maͤnnlichen Geſchlecht, daß man ſich
darin verlieben ſollte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/354>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.