schen Verdienste des Grafen zu würdigen. Die bittere Mühe, die unsägliche Beharrlichkeit, das winternächtliche Zähneklappern, die ingrimmigen Anstrengungen, womit er seine Verse ausgearbei¬ tet, entdeckt unser Einer weit eher als der ge¬ wöhnliche Leser, der die Glätte, Zierlichkeit und Politur jener Verse des Grafen für etwas Leich¬ tes hält, und sich an der glatten Wortspielerey gedankenlos ergötzt, wie man sich bey Kunstsprin¬ gern, die auf dem Seile balanciren, über Eyer tanzen und sich auf den Kopf stellen, ebenfalls einige Stunden amüsirt, ohne zu bedenken, daß jene armen Wesen, nur durch jahrelangen Zwang und grausames Hungerleiden, solche Gelenkigkeitskünste, solche Metrik des Leibes erlernt haben. Ich, der ich mich in der Dichtkunst nicht so sehr ge¬ plagt, und sie immer in Verbindung mit gutem Essen ausgeübt habe, ich will den Grafen Platen, dem es saurer und nüchterner dabey ergangen, um so mehr preisen, ich will von ihm rühmen
ſchen Verdienſte des Grafen zu wuͤrdigen. Die bittere Muͤhe, die unſaͤgliche Beharrlichkeit, das winternaͤchtliche Zaͤhneklappern, die ingrimmigen Anſtrengungen, womit er ſeine Verſe ausgearbei¬ tet, entdeckt unſer Einer weit eher als der ge¬ woͤhnliche Leſer, der die Glaͤtte, Zierlichkeit und Politur jener Verſe des Grafen fuͤr etwas Leich¬ tes haͤlt, und ſich an der glatten Wortſpielerey gedankenlos ergoͤtzt, wie man ſich bey Kunſtſprin¬ gern, die auf dem Seile balanciren, uͤber Eyer tanzen und ſich auf den Kopf ſtellen, ebenfalls einige Stunden amuͤſirt, ohne zu bedenken, daß jene armen Weſen, nur durch jahrelangen Zwang und grauſames Hungerleiden, ſolche Gelenkigkeitskuͤnſte, ſolche Metrik des Leibes erlernt haben. Ich, der ich mich in der Dichtkunſt nicht ſo ſehr ge¬ plagt, und ſie immer in Verbindung mit gutem Eſſen ausgeuͤbt habe, ich will den Grafen Platen, dem es ſaurer und nuͤchterner dabey ergangen, um ſo mehr preiſen, ich will von ihm ruͤhmen
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ſchen Verdienſte des Grafen zu wuͤrdigen. Die
bittere Muͤhe, die unſaͤgliche Beharrlichkeit, das
winternaͤchtliche Zaͤhneklappern, die ingrimmigen
Anſtrengungen, womit er ſeine Verſe ausgearbei¬
tet, entdeckt unſer Einer weit eher als der ge¬
woͤhnliche Leſer, der die Glaͤtte, Zierlichkeit und
Politur jener Verſe des Grafen fuͤr etwas Leich¬
tes haͤlt, und ſich an der glatten Wortſpielerey
gedankenlos ergoͤtzt, wie man ſich bey Kunſtſprin¬
gern, die auf dem Seile balanciren, uͤber Eyer
tanzen und ſich auf den Kopf ſtellen, ebenfalls
einige Stunden amuͤſirt, ohne zu bedenken, daß jene
armen Weſen, nur durch jahrelangen Zwang und
grauſames Hungerleiden, ſolche Gelenkigkeitskuͤnſte,
ſolche Metrik des Leibes erlernt haben. Ich,
der ich mich in der Dichtkunſt nicht ſo ſehr ge¬
plagt, und ſie immer in Verbindung mit gutem
Eſſen ausgeuͤbt habe, ich will den Grafen Platen,
dem es ſaurer und nuͤchterner dabey ergangen,
um ſo mehr preiſen, ich will von ihm ruͤhmen
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/378>, abgerufen am 22.11.2024.
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