aufsuchen, und das verlassene nordische Herz klang und blühte wieder wie vormals -- nur weiß ich nicht, wie das alles kam. Ist es eine braune oder blonde Sonne gewesen, die den Frühling in meinem Herzen auf's Neue geweckt, und all' die schlafenden Blumen in diesem Her¬ zen wieder aufgeküßt und die Nachtigallen wieder hineingelächelt? War es die wahlverwandte Natur selbst, die in meiner Brust ihr Echo suchte und sich gern darin bespiegelte mit ihrem neuen Frühlingsglanz? Ich weiß nicht, aber ich glaube, auf der Terrasse zu Bogenhausen, im Angesicht der Tyroler Alpen, geschah meinem Herzen solch neue Verzauberung. Wenn ich dort in Gedan¬ ken saß, war mir's oft, als sehe ich ein wunder¬ schönes Jünglingsantlitz über jene Berge hervor¬ lauschen, und ich wünschte mir Flügel, um hin¬ zueilen nach seinem Residenzland Italien. Ich fühlte mich auch oft angeweht von Zitronen- und Orangendüften, die von den Bergen herüber¬
aufſuchen, und das verlaſſene nordiſche Herz klang und bluͤhte wieder wie vormals — nur weiß ich nicht, wie das alles kam. Iſt es eine braune oder blonde Sonne geweſen, die den Fruͤhling in meinem Herzen auf's Neue geweckt, und all' die ſchlafenden Blumen in dieſem Her¬ zen wieder aufgekuͤßt und die Nachtigallen wieder hineingelaͤchelt? War es die wahlverwandte Natur ſelbſt, die in meiner Bruſt ihr Echo ſuchte und ſich gern darin beſpiegelte mit ihrem neuen Fruͤhlingsglanz? Ich weiß nicht, aber ich glaube, auf der Terraſſe zu Bogenhauſen, im Angeſicht der Tyroler Alpen, geſchah meinem Herzen ſolch neue Verzauberung. Wenn ich dort in Gedan¬ ken ſaß, war mir's oft, als ſehe ich ein wunder¬ ſchoͤnes Juͤnglingsantlitz uͤber jene Berge hervor¬ lauſchen, und ich wuͤnſchte mir Fluͤgel, um hin¬ zueilen nach ſeinem Reſidenzland Italien. Ich fuͤhlte mich auch oft angeweht von Zitronen- und Orangenduͤften, die von den Bergen heruͤber¬
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aufſuchen, und das verlaſſene nordiſche Herz
klang und bluͤhte wieder wie vormals — nur
weiß ich nicht, wie das alles kam. Iſt es eine
braune oder blonde Sonne geweſen, die den
Fruͤhling in meinem Herzen auf's Neue geweckt,
und all' die ſchlafenden Blumen in dieſem Her¬
zen wieder aufgekuͤßt und die Nachtigallen wieder
hineingelaͤchelt? War es die wahlverwandte Natur
ſelbſt, die in meiner Bruſt ihr Echo ſuchte und
ſich gern darin beſpiegelte mit ihrem neuen
Fruͤhlingsglanz? Ich weiß nicht, aber ich glaube,
auf der Terraſſe zu Bogenhauſen, im Angeſicht
der Tyroler Alpen, geſchah meinem Herzen ſolch
neue Verzauberung. Wenn ich dort in Gedan¬
ken ſaß, war mir's oft, als ſehe ich ein wunder¬
ſchoͤnes Juͤnglingsantlitz uͤber jene Berge hervor¬
lauſchen, und ich wuͤnſchte mir Fluͤgel, um hin¬
zueilen nach ſeinem Reſidenzland Italien. Ich
fuͤhlte mich auch oft angeweht von Zitronen- und
Orangenduͤften, die von den Bergen heruͤber¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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