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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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Capitel V.

Mein Blick mochte daher wohl etwas sehn¬
süchtig flimmern, als ich, in Verzweiflung über
das unabsehbare Philistergespräch, nach den schö¬
nen Tyroler Bergen hinaussah und tief seufzte.
Mein Berliner Philister nahm aber eben diesen
Blick und Seufzer als neue Gesprächsfäden auf,
und seufzte mit: "Ach ja, ich möchte auch jetzt
in Konstantinopel seyn! Ach! Konstantinopel zu
sehen, war immer der eenzige Wunsch meines
Lebens, und jetzt sind die Russen gewiß schon
eingezogen, ach, in Konstantinopel! Haben Sie
Petersburg gesehen?" Ich verneinte dieses und

Capitel V.

Mein Blick mochte daher wohl etwas ſehn¬
ſuͤchtig flimmern, als ich, in Verzweiflung uͤber
das unabſehbare Philiſtergeſpraͤch, nach den ſchoͤ¬
nen Tyroler Bergen hinausſah und tief ſeufzte.
Mein Berliner Philiſter nahm aber eben dieſen
Blick und Seufzer als neue Geſpraͤchsfaͤden auf,
und ſeufzte mit: „Ach ja, ich moͤchte auch jetzt
in Konſtantinopel ſeyn! Ach! Konſtantinopel zu
ſehen, war immer der eenzige Wunſch meines
Lebens, und jetzt ſind die Ruſſen gewiß ſchon
eingezogen, ach, in Konſtantinopel! Haben Sie
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[38/0046] Capitel V. Mein Blick mochte daher wohl etwas ſehn¬ ſuͤchtig flimmern, als ich, in Verzweiflung uͤber das unabſehbare Philiſtergeſpraͤch, nach den ſchoͤ¬ nen Tyroler Bergen hinausſah und tief ſeufzte. Mein Berliner Philiſter nahm aber eben dieſen Blick und Seufzer als neue Geſpraͤchsfaͤden auf, und ſeufzte mit: „Ach ja, ich moͤchte auch jetzt in Konſtantinopel ſeyn! Ach! Konſtantinopel zu ſehen, war immer der eenzige Wunſch meines Lebens, und jetzt ſind die Ruſſen gewiß ſchon eingezogen, ach, in Konſtantinopel! Haben Sie Petersburg geſehen?“ Ich verneinte dieſes und

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/46>, abgerufen am 21.11.2024.