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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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than mit einem kühnen Bekenntnisse, wie in frü¬
heren Zeiten, wo die Blutzeugen ein rasches Scha¬
fott fanden oder den jubelnden Holzstoß. Das
Wesen des Martyrthums, alles Irdische aufzu¬
opfern für den himmlischen Spaß, ist noch immer
dasselbe; aber es hat viel verloren von seiner in¬
nern Glaubensfreudigkeit, es wurde mehr ein re¬
signirendes Ausdauern, ein beharrliches Ueberdul¬
den, ein lebenslängliches Sterben, und da geschieht
es sogar, daß in grauen kalten Stunden auch
die heiligsten Märtyrer vom Zweifel beschlichen
werden. Es giebt nichts Entsetzlicheres als jene
Stunden, wo ein Markus Brutus zu zweifeln
begann an der Wirklichkeit der Tugend für die
er alles geopfert! Und ach! jener war ein Römer
und lebte in der Blüthenzeit der Stoa; wir aber
sind modern weicheren Stoffes, und dazu sehen
wir noch das Gedeihen einer Philosophie, die
aller Begeisterung nur eine relative Bedeutung zu¬

than mit einem kuͤhnen Bekenntniſſe, wie in fruͤ¬
heren Zeiten, wo die Blutzeugen ein raſches Scha¬
fott fanden oder den jubelnden Holzſtoß. Das
Weſen des Martyrthums, alles Irdiſche aufzu¬
opfern fuͤr den himmliſchen Spaß, iſt noch immer
daſſelbe; aber es hat viel verloren von ſeiner in¬
nern Glaubensfreudigkeit, es wurde mehr ein re¬
ſignirendes Ausdauern, ein beharrliches Ueberdul¬
den, ein lebenslaͤngliches Sterben, und da geſchieht
es ſogar, daß in grauen kalten Stunden auch
die heiligſten Maͤrtyrer vom Zweifel beſchlichen
werden. Es giebt nichts Entſetzlicheres als jene
Stunden, wo ein Markus Brutus zu zweifeln
begann an der Wirklichkeit der Tugend fuͤr die
er alles geopfert! Und ach! jener war ein Roͤmer
und lebte in der Bluͤthenzeit der Stoa; wir aber
ſind modern weicheren Stoffes, und dazu ſehen
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[117/0131] than mit einem kuͤhnen Bekenntniſſe, wie in fruͤ¬ heren Zeiten, wo die Blutzeugen ein raſches Scha¬ fott fanden oder den jubelnden Holzſtoß. Das Weſen des Martyrthums, alles Irdiſche aufzu¬ opfern fuͤr den himmliſchen Spaß, iſt noch immer daſſelbe; aber es hat viel verloren von ſeiner in¬ nern Glaubensfreudigkeit, es wurde mehr ein re¬ ſignirendes Ausdauern, ein beharrliches Ueberdul¬ den, ein lebenslaͤngliches Sterben, und da geſchieht es ſogar, daß in grauen kalten Stunden auch die heiligſten Maͤrtyrer vom Zweifel beſchlichen werden. Es giebt nichts Entſetzlicheres als jene Stunden, wo ein Markus Brutus zu zweifeln begann an der Wirklichkeit der Tugend fuͤr die er alles geopfert! Und ach! jener war ein Roͤmer und lebte in der Bluͤthenzeit der Stoa; wir aber ſind modern weicheren Stoffes, und dazu ſehen wir noch das Gedeihen einer Philoſophie, die aller Begeiſterung nur eine relative Bedeutung zu¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/131>, abgerufen am 21.11.2024.