und träumen, so können wir vielleicht die Freyheit entbehren; denn unsere Tyrannen schlafen ebenfalls und träumen blos ihre Tyrannei. Nur damals sind wir erwacht, als die katholischen Römer unsere Traumfreyheit geraubt hatten; da handelten wir und siegten und legten uns wieder hin und träumten. O Herr! spottet nicht unserer Träumer, dann und wann, wie Somnambüle sprechen sie Wunderbares im Schlafe, und ihr Wort wird Saat der Frey¬ heit. Keiner kann absehen die Wendung der Dinge. Der spleenige Britte, seines Weibes überdrüssig, legt ihr vielleicht einst einen Strick um den Hals, und bringt sie zum Verkauf nach Smithfield. Der flatterhafte Franzose wird seiner geliebten Braut vielleicht treulos und verläßt sie, und tänzelt sin¬ gend nach den Hofdamen (courtisanes) seines kö¬ niglichen Palastes (palais royal). Der Deutsche wird aber seine alte Großmutter nie ganz vor die Thüre stoßen, er wird ihr immer ein Plätzchen am Heerde gönnen, wo sie den horchenden Kindern
und traͤumen, ſo koͤnnen wir vielleicht die Freyheit entbehren; denn unſere Tyrannen ſchlafen ebenfalls und traͤumen blos ihre Tyrannei. Nur damals ſind wir erwacht, als die katholiſchen Roͤmer unſere Traumfreyheit geraubt hatten; da handelten wir und ſiegten und legten uns wieder hin und traͤumten. O Herr! ſpottet nicht unſerer Traͤumer, dann und wann, wie Somnambuͤle ſprechen ſie Wunderbares im Schlafe, und ihr Wort wird Saat der Frey¬ heit. Keiner kann abſehen die Wendung der Dinge. Der ſpleenige Britte, ſeines Weibes uͤberdruͤſſig, legt ihr vielleicht einſt einen Strick um den Hals, und bringt ſie zum Verkauf nach Smithfield. Der flatterhafte Franzoſe wird ſeiner geliebten Braut vielleicht treulos und verlaͤßt ſie, und taͤnzelt ſin¬ gend nach den Hofdamen (courtisanes) ſeines koͤ¬ niglichen Palaſtes (palais royal). Der Deutſche wird aber ſeine alte Großmutter nie ganz vor die Thuͤre ſtoßen, er wird ihr immer ein Plaͤtzchen am Heerde goͤnnen, wo ſie den horchenden Kindern
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und traͤumen, ſo koͤnnen wir vielleicht die Freyheit
entbehren; denn unſere Tyrannen ſchlafen ebenfalls
und traͤumen blos ihre Tyrannei. Nur damals
ſind wir erwacht, als die katholiſchen Roͤmer unſere
Traumfreyheit geraubt hatten; da handelten wir und
ſiegten und legten uns wieder hin und traͤumten.
O Herr! ſpottet nicht unſerer Traͤumer, dann und
wann, wie Somnambuͤle ſprechen ſie Wunderbares
im Schlafe, und ihr Wort wird Saat der Frey¬
heit. Keiner kann abſehen die Wendung der Dinge.
Der ſpleenige Britte, ſeines Weibes uͤberdruͤſſig,
legt ihr vielleicht einſt einen Strick um den Hals,
und bringt ſie zum Verkauf nach Smithfield. Der
flatterhafte Franzoſe wird ſeiner geliebten Braut
vielleicht treulos und verlaͤßt ſie, und taͤnzelt ſin¬
gend nach den Hofdamen (courtisanes) ſeines koͤ¬
niglichen Palaſtes (palais royal). Der Deutſche
wird aber ſeine alte Großmutter nie ganz vor die
Thuͤre ſtoßen, er wird ihr immer ein Plaͤtzchen am
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/166>, abgerufen am 24.11.2024.
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