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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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derlich wie die Wahrheiten, die sie eben ausge¬
sprochen; jenes Gesicht, welches vorher blaß und
kalt war wie ein Stein, ist jetzt belebt und leuch¬
tend, als wäre der innere Geist noch mächtiger,
als die gesprochenen Worte; und jene Augen, die
uns anfänglich mit ihren blauen und stillen Krei¬
sen so demüthig ansahen, als wollten sie unsre
Nachsicht und Verzeihung erbitten, aus denselben
Augen schießt jetzt ein meteorisches Feuer, das alle
Herzen zur Bewunderung entzündet. So schließt
der zweyte, der leidenschaftliche oder deklamatori¬
sche Theil der Rede.

Wenn er das erreicht hat, was man für den
Gipfel der Beredsamkeit halten möchte, wenn er
gleichsam umher blickt, um die Bewunderung, die
er hervorgebracht, mit Hohnlächeln zu betrachten,
dann sinkt seine Gestalt wieder zusammen und
auch seine Stimme fällt herab bis zum sonderbar¬
sten Flüstern, das jemals aus der Brust eines
Menschen hervorgekommen. Dieses seltsame Her¬

derlich wie die Wahrheiten, die ſie eben ausge¬
ſprochen; jenes Geſicht, welches vorher blaß und
kalt war wie ein Stein, iſt jetzt belebt und leuch¬
tend, als waͤre der innere Geiſt noch maͤchtiger,
als die geſprochenen Worte; und jene Augen, die
uns anfaͤnglich mit ihren blauen und ſtillen Krei¬
ſen ſo demuͤthig anſahen, als wollten ſie unſre
Nachſicht und Verzeihung erbitten, aus denſelben
Augen ſchießt jetzt ein meteoriſches Feuer, das alle
Herzen zur Bewunderung entzuͤndet. So ſchließt
der zweyte, der leidenſchaftliche oder deklamatori¬
ſche Theil der Rede.

Wenn er das erreicht hat, was man fuͤr den
Gipfel der Beredſamkeit halten moͤchte, wenn er
gleichſam umher blickt, um die Bewunderung, die
er hervorgebracht, mit Hohnlaͤcheln zu betrachten,
dann ſinkt ſeine Geſtalt wieder zuſammen und
auch ſeine Stimme faͤllt herab bis zum ſonderbar¬
ſten Fluͤſtern, das jemals aus der Bruſt eines
Menſchen hervorgekommen. Dieſes ſeltſame Her¬

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[260/0274] derlich wie die Wahrheiten, die ſie eben ausge¬ ſprochen; jenes Geſicht, welches vorher blaß und kalt war wie ein Stein, iſt jetzt belebt und leuch¬ tend, als waͤre der innere Geiſt noch maͤchtiger, als die geſprochenen Worte; und jene Augen, die uns anfaͤnglich mit ihren blauen und ſtillen Krei¬ ſen ſo demuͤthig anſahen, als wollten ſie unſre Nachſicht und Verzeihung erbitten, aus denſelben Augen ſchießt jetzt ein meteoriſches Feuer, das alle Herzen zur Bewunderung entzuͤndet. So ſchließt der zweyte, der leidenſchaftliche oder deklamatori¬ ſche Theil der Rede. Wenn er das erreicht hat, was man fuͤr den Gipfel der Beredſamkeit halten moͤchte, wenn er gleichſam umher blickt, um die Bewunderung, die er hervorgebracht, mit Hohnlaͤcheln zu betrachten, dann ſinkt ſeine Geſtalt wieder zuſammen und auch ſeine Stimme faͤllt herab bis zum ſonderbar¬ ſten Fluͤſtern, das jemals aus der Bruſt eines Menſchen hervorgekommen. Dieſes ſeltſame Her¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/274>, abgerufen am 30.11.2024.