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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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worden, ist gewiß nicht übertrieben. Seine Ge¬
stalt, von gewöhnlicher Manneslänge, ist sehr
dünn, ebenfalls sein Kopf, der mit kurzen, schwar¬
zen Haaren, die sich der Schläfe glatt anlegen,
spärlich bedeckt ist. Das blasse, längliche Gesicht
erscheint dadurch noch dünner, die Muskeln des¬
selben sind in krampfhafter, unheimlicher Bewe¬
gung, und wer sie beobachtet, sieht des Redners
Gedanken, ehe sie gesprochen sind. Dieses schadet
seinen witzigen Einfällen; denn für Witze und
Geldborger ist es heilsam, wenn sie uns unange¬
meldet überraschen. Obgleich sein schwarzer An¬
zug, bis auf den Schnitt des Fracks, ganz gent¬
lemännisch ist, so trägt solcher doch dazu bey, ihm
ein geistliches Ansehen zu geben. Vielleicht be¬
kommt er dieses noch mehr durch seine oft ge¬
krümmte Rückenbewegung und die lauernde, iro¬
nische Geschmeidigkeit des ganzen Leibes. Einer
meiner Freunde hat mich zuerst auf dieses "Kleri¬
kalische" in Broughams Wesen aufmerksam ge¬

worden, iſt gewiß nicht uͤbertrieben. Seine Ge¬
ſtalt, von gewoͤhnlicher Manneslaͤnge, iſt ſehr
duͤnn, ebenfalls ſein Kopf, der mit kurzen, ſchwar¬
zen Haaren, die ſich der Schlaͤfe glatt anlegen,
ſpaͤrlich bedeckt iſt. Das blaſſe, laͤngliche Geſicht
erſcheint dadurch noch duͤnner, die Muskeln deſ¬
ſelben ſind in krampfhafter, unheimlicher Bewe¬
gung, und wer ſie beobachtet, ſieht des Redners
Gedanken, ehe ſie geſprochen ſind. Dieſes ſchadet
ſeinen witzigen Einfaͤllen; denn fuͤr Witze und
Geldborger iſt es heilſam, wenn ſie uns unange¬
meldet uͤberraſchen. Obgleich ſein ſchwarzer An¬
zug, bis auf den Schnitt des Fracks, ganz gent¬
lemaͤnniſch iſt, ſo traͤgt ſolcher doch dazu bey, ihm
ein geiſtliches Anſehen zu geben. Vielleicht be¬
kommt er dieſes noch mehr durch ſeine oft ge¬
kruͤmmte Ruͤckenbewegung und die lauernde, iro¬
niſche Geſchmeidigkeit des ganzen Leibes. Einer
meiner Freunde hat mich zuerſt auf dieſes „Kleri¬
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[266/0280] worden, iſt gewiß nicht uͤbertrieben. Seine Ge¬ ſtalt, von gewoͤhnlicher Manneslaͤnge, iſt ſehr duͤnn, ebenfalls ſein Kopf, der mit kurzen, ſchwar¬ zen Haaren, die ſich der Schlaͤfe glatt anlegen, ſpaͤrlich bedeckt iſt. Das blaſſe, laͤngliche Geſicht erſcheint dadurch noch duͤnner, die Muskeln deſ¬ ſelben ſind in krampfhafter, unheimlicher Bewe¬ gung, und wer ſie beobachtet, ſieht des Redners Gedanken, ehe ſie geſprochen ſind. Dieſes ſchadet ſeinen witzigen Einfaͤllen; denn fuͤr Witze und Geldborger iſt es heilſam, wenn ſie uns unange¬ meldet uͤberraſchen. Obgleich ſein ſchwarzer An¬ zug, bis auf den Schnitt des Fracks, ganz gent¬ lemaͤnniſch iſt, ſo traͤgt ſolcher doch dazu bey, ihm ein geiſtliches Anſehen zu geben. Vielleicht be¬ kommt er dieſes noch mehr durch ſeine oft ge¬ kruͤmmte Ruͤckenbewegung und die lauernde, iro¬ niſche Geſchmeidigkeit des ganzen Leibes. Einer meiner Freunde hat mich zuerſt auf dieſes „Kleri¬ kaliſche“ in Broughams Weſen aufmerkſam ge¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/280>, abgerufen am 29.11.2024.