den schönen Bergen und Baumgruppen, wo die goldnen Orangen, wie Sterne des Tages, aus dem dunklen Grün hervorleuchteten, und Guirlanden von Weinreben, in festlichen Windungen, sich mei¬ lenweit hinzogen. Das ganze Land ist dort so gartenhaft und geschmückt, wie bei uns die länd¬ lichen Scenen, die auf dem Theater dargestellt werden; auch die Landleute selbst gleichen jenen bunten Gestalten, die uns dann als singende, lächelnde und tanzende Staffage ergötzen. Nir¬ gends Philistergesichter. Und gibt es hier auch Philister, so sind es doch italienische Orangenphi¬ lister und keine plump deutschen Kartoffelphilister. Pitoresk und idealisch wie das Land sind auch die Leute, und dabey trägt jeder Mann einen so indi¬ viduellen Ausdruck im Gesicht, und weiß in Stel¬ lung, Faltenwurf des Mantels, und nöthigenfalls in Handhabung des Messers, seine Persönlichkeit geltend zu machen. Dagegen bey uns zu Lande lauter Menschen mit allgemeinen, gleichförmlichen
den ſchoͤnen Bergen und Baumgruppen, wo die goldnen Orangen, wie Sterne des Tages, aus dem dunklen Gruͤn hervorleuchteten, und Guirlanden von Weinreben, in feſtlichen Windungen, ſich mei¬ lenweit hinzogen. Das ganze Land iſt dort ſo gartenhaft und geſchmuͤckt, wie bei uns die laͤnd¬ lichen Scenen, die auf dem Theater dargeſtellt werden; auch die Landleute ſelbſt gleichen jenen bunten Geſtalten, die uns dann als ſingende, laͤchelnde und tanzende Staffage ergoͤtzen. Nir¬ gends Philiſtergeſichter. Und gibt es hier auch Philiſter, ſo ſind es doch italieniſche Orangenphi¬ liſter und keine plump deutſchen Kartoffelphiliſter. Pitoresk und idealiſch wie das Land ſind auch die Leute, und dabey traͤgt jeder Mann einen ſo indi¬ viduellen Ausdruck im Geſicht, und weiß in Stel¬ lung, Faltenwurf des Mantels, und noͤthigenfalls in Handhabung des Meſſers, ſeine Perſoͤnlichkeit geltend zu machen. Dagegen bey uns zu Lande lauter Menſchen mit allgemeinen, gleichfoͤrmlichen
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den ſchoͤnen Bergen und Baumgruppen, wo die
goldnen Orangen, wie Sterne des Tages, aus dem
dunklen Gruͤn hervorleuchteten, und Guirlanden
von Weinreben, in feſtlichen Windungen, ſich mei¬
lenweit hinzogen. Das ganze Land iſt dort ſo
gartenhaft und geſchmuͤckt, wie bei uns die laͤnd¬
lichen Scenen, die auf dem Theater dargeſtellt
werden; auch die Landleute ſelbſt gleichen jenen
bunten Geſtalten, die uns dann als ſingende,
laͤchelnde und tanzende Staffage ergoͤtzen. Nir¬
gends Philiſtergeſichter. Und gibt es hier auch
Philiſter, ſo ſind es doch italieniſche Orangenphi¬
liſter und keine plump deutſchen Kartoffelphiliſter.
Pitoresk und idealiſch wie das Land ſind auch die
Leute, und dabey traͤgt jeder Mann einen ſo indi¬
viduellen Ausdruck im Geſicht, und weiß in Stel¬
lung, Faltenwurf des Mantels, und noͤthigenfalls
in Handhabung des Meſſers, ſeine Perſoͤnlichkeit
geltend zu machen. Dagegen bey uns zu Lande
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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