Des dumpfen abendländischen Wesens so ziem¬ lich überdrüssig, so recht Europa-müde wie ich mich damals manchmal fühlte, war mir dieses Stück Morgenland, das sich jetzt heiter und bunt vor meinen Augen bewegte, eine erquickliche La¬ bung, mein Herz erfrischten wenigstens einige Trop¬ fen jenes Trankes, wonach es in trübhannövrischen oder königlich preußischen Winternächten so oft ge¬ schmachtet hatte, und die fremden Leute mochten es mir wohl ansehen, wie angenehm mir ihre Erscheinung war, und wie gern ich ihnen ein Lie¬ beswörtchen gesagt hätte. Daß auch ich ihnen recht wohl gefiel, war den innigen Augen anzu¬ sehen, und sie hätten mir ebenfalls gern etwas Liebes gesagt, und es war eine Trübsal, daß Kei¬ ner des Andern Sprache verstand. Da endlich fand ich ein Mittel, ihnen meine freundschaftliche Gesinnung auch mit einem Worte kund zu geben, und ehrfurchtsvoll und die Hand ausstreckend, wie zum Liebesgruß, rief ich den Namen: Mahomet!
Des dumpfen abendlaͤndiſchen Weſens ſo ziem¬ lich uͤberdruͤſſig, ſo recht Europa-muͤde wie ich mich damals manchmal fuͤhlte, war mir dieſes Stuͤck Morgenland, das ſich jetzt heiter und bunt vor meinen Augen bewegte, eine erquickliche La¬ bung, mein Herz erfriſchten wenigſtens einige Trop¬ fen jenes Trankes, wonach es in truͤbhannoͤvriſchen oder koͤniglich preußiſchen Winternaͤchten ſo oft ge¬ ſchmachtet hatte, und die fremden Leute mochten es mir wohl anſehen, wie angenehm mir ihre Erſcheinung war, und wie gern ich ihnen ein Lie¬ beswoͤrtchen geſagt haͤtte. Daß auch ich ihnen recht wohl gefiel, war den innigen Augen anzu¬ ſehen, und ſie haͤtten mir ebenfalls gern etwas Liebes geſagt, und es war eine Truͤbſal, daß Kei¬ ner des Andern Sprache verſtand. Da endlich fand ich ein Mittel, ihnen meine freundſchaftliche Geſinnung auch mit einem Worte kund zu geben, und ehrfurchtsvoll und die Hand ausſtreckend, wie zum Liebesgruß, rief ich den Namen: Mahomet!
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Des dumpfen abendlaͤndiſchen Weſens ſo ziem¬
lich uͤberdruͤſſig, ſo recht Europa-muͤde wie ich
mich damals manchmal fuͤhlte, war mir dieſes
Stuͤck Morgenland, das ſich jetzt heiter und bunt
vor meinen Augen bewegte, eine erquickliche La¬
bung, mein Herz erfriſchten wenigſtens einige Trop¬
fen jenes Trankes, wonach es in truͤbhannoͤvriſchen
oder koͤniglich preußiſchen Winternaͤchten ſo oft ge¬
ſchmachtet hatte, und die fremden Leute mochten
es mir wohl anſehen, wie angenehm mir ihre
Erſcheinung war, und wie gern ich ihnen ein Lie¬
beswoͤrtchen geſagt haͤtte. Daß auch ich ihnen
recht wohl gefiel, war den innigen Augen anzu¬
ſehen, und ſie haͤtten mir ebenfalls gern etwas
Liebes geſagt, und es war eine Truͤbſal, daß Kei¬
ner des Andern Sprache verſtand. Da endlich
fand ich ein Mittel, ihnen meine freundſchaftliche
Geſinnung auch mit einem Worte kund zu geben,
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/309>, abgerufen am 24.11.2024.
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