Ich weiß nicht, ob der Mönch, der mir unfern Lukka begegnete, ein frommer Mann ist. Aber ich weiß, sein alter Leib steckt arm und nackt in einer groben Kutte, jahraus jahrein; die zerrissenen San¬ dalen können seine bloßen Füße nicht genug schü¬ tzen, wenn er, durch Dorn und Gestrippe, die Felsen hinauf klimmt, um droben, in den Berg¬ dörfern, Kranke zu trösten oder Kinder beten zu lehren; -- und er ist zufrieden, wenn man ihm dafür ein Stückchen Brod in den Sack steckt, und ihm ein Bischen Stroh gibt, um darauf zu schlafen.
"Gegen den Mann will ich nicht schreiben," sprach ich zu mir selbst. "Wenn ich wieder zu Hause in Deutschland, auf meinem Lehnsessel, am
CapitelIV.
Ich weiß nicht, ob der Moͤnch, der mir unfern Lukka begegnete, ein frommer Mann iſt. Aber ich weiß, ſein alter Leib ſteckt arm und nackt in einer groben Kutte, jahraus jahrein; die zerriſſenen San¬ dalen koͤnnen ſeine bloßen Fuͤße nicht genug ſchuͤ¬ tzen, wenn er, durch Dorn und Geſtrippe, die Felſen hinauf klimmt, um droben, in den Berg¬ doͤrfern, Kranke zu troͤſten oder Kinder beten zu lehren; — und er iſt zufrieden, wenn man ihm dafuͤr ein Stuͤckchen Brod in den Sack ſteckt, und ihm ein Bischen Stroh gibt, um darauf zu ſchlafen.
„Gegen den Mann will ich nicht ſchreiben,“ ſprach ich zu mir ſelbſt. „Wenn ich wieder zu Hauſe in Deutſchland, auf meinem Lehnſeſſel, am
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Capitel IV.
Ich weiß nicht, ob der Moͤnch, der mir unfern
Lukka begegnete, ein frommer Mann iſt. Aber ich
weiß, ſein alter Leib ſteckt arm und nackt in einer
groben Kutte, jahraus jahrein; die zerriſſenen San¬
dalen koͤnnen ſeine bloßen Fuͤße nicht genug ſchuͤ¬
tzen, wenn er, durch Dorn und Geſtrippe, die
Felſen hinauf klimmt, um droben, in den Berg¬
doͤrfern, Kranke zu troͤſten oder Kinder beten zu
lehren; — und er iſt zufrieden, wenn man ihm
dafuͤr ein Stuͤckchen Brod in den Sack ſteckt, und
ihm ein Bischen Stroh gibt, um darauf zu ſchlafen.
„Gegen den Mann will ich nicht ſchreiben,“
ſprach ich zu mir ſelbſt. „Wenn ich wieder zu
Hauſe in Deutſchland, auf meinem Lehnſeſſel, am
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. [21]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/35>, abgerufen am 21.11.2024.
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