Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie ernsthaft, lachen Sie nicht; sonst werden wir
wahrhaftig hinausgeschmissen!

Aber da half kein Bitten und Flehen. Zum
Glück verstand man unsre Sprache nicht. Denn
als Mylady aufstand, und uns durch das Ge¬
dränge zum Hauptaltar folgte, überließ sie sich
ihren tollen Launen, ohne die mindeste Rücksicht,
als stünden wir allein auf den Apenninen. Sie
moquirte sich über alles, sogar die armen gemal¬
ten Bilder an den Wänden waren vor ihren Pfei¬
len nicht sicher.

Sieh da! rief sie, auch Lady Eva, Geborne
von Rippe, wie sie mit der Schlange diskurirt!
Es ist ein guter Einfall des Malers, daß er der
Schlange einen menschlichen Kopf mit einem
menschlichen Gesichte gab; es wäre jedoch noch
weit sinnreicher gewesen, wenn er dieses Verfüh¬
rungsgesicht mit einem militärischen Schnurbart
verziert hätte. Sehen Sie, Doktor, dort den
Engel, welcher der hochgebenedeiten Jungfrau

Sie ernſthaft, lachen Sie nicht; ſonſt werden wir
wahrhaftig hinausgeſchmiſſen!

Aber da half kein Bitten und Flehen. Zum
Gluͤck verſtand man unſre Sprache nicht. Denn
als Mylady aufſtand, und uns durch das Ge¬
draͤnge zum Hauptaltar folgte, uͤberließ ſie ſich
ihren tollen Launen, ohne die mindeſte Ruͤckſicht,
als ſtuͤnden wir allein auf den Apenninen. Sie
moquirte ſich uͤber alles, ſogar die armen gemal¬
ten Bilder an den Waͤnden waren vor ihren Pfei¬
len nicht ſicher.

Sieh da! rief ſie, auch Lady Eva, Geborne
von Rippe, wie ſie mit der Schlange diskurirt!
Es iſt ein guter Einfall des Malers, daß er der
Schlange einen menſchlichen Kopf mit einem
menſchlichen Geſichte gab; es waͤre jedoch noch
weit ſinnreicher geweſen, wenn er dieſes Verfuͤh¬
rungsgeſicht mit einem militaͤriſchen Schnurbart
verziert haͤtte. Sehen Sie, Doktor, dort den
Engel, welcher der hochgebenedeiten Jungfrau

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="54"/>
Sie ern&#x017F;thaft, lachen Sie nicht; &#x017F;on&#x017F;t werden wir<lb/>
wahrhaftig hinausge&#x017F;chmi&#x017F;&#x017F;en!</p><lb/>
          <p>Aber da half kein Bitten und Flehen. Zum<lb/>
Glu&#x0364;ck ver&#x017F;tand man un&#x017F;re Sprache nicht. Denn<lb/>
als Mylady auf&#x017F;tand, und uns durch das Ge¬<lb/>
dra&#x0364;nge zum Hauptaltar folgte, u&#x0364;berließ &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
ihren tollen Launen, ohne die minde&#x017F;te Ru&#x0364;ck&#x017F;icht,<lb/>
als &#x017F;tu&#x0364;nden wir allein auf den Apenninen. Sie<lb/>
moquirte &#x017F;ich u&#x0364;ber alles, &#x017F;ogar die armen gemal¬<lb/>
ten Bilder an den Wa&#x0364;nden waren vor ihren Pfei¬<lb/>
len nicht &#x017F;icher.</p><lb/>
          <p>Sieh da! rief &#x017F;ie, auch Lady Eva, Geborne<lb/>
von Rippe, wie &#x017F;ie mit der Schlange diskurirt!<lb/>
Es i&#x017F;t ein guter Einfall des Malers, daß er der<lb/>
Schlange einen men&#x017F;chlichen Kopf mit einem<lb/>
men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;ichte gab; es wa&#x0364;re jedoch noch<lb/>
weit &#x017F;innreicher gewe&#x017F;en, wenn er die&#x017F;es Verfu&#x0364;<lb/>
rungsge&#x017F;icht mit einem milita&#x0364;ri&#x017F;chen Schnurbart<lb/>
verziert ha&#x0364;tte. Sehen Sie, Doktor, dort den<lb/>
Engel, welcher der hochgebenedeiten Jungfrau<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0068] Sie ernſthaft, lachen Sie nicht; ſonſt werden wir wahrhaftig hinausgeſchmiſſen! Aber da half kein Bitten und Flehen. Zum Gluͤck verſtand man unſre Sprache nicht. Denn als Mylady aufſtand, und uns durch das Ge¬ draͤnge zum Hauptaltar folgte, uͤberließ ſie ſich ihren tollen Launen, ohne die mindeſte Ruͤckſicht, als ſtuͤnden wir allein auf den Apenninen. Sie moquirte ſich uͤber alles, ſogar die armen gemal¬ ten Bilder an den Waͤnden waren vor ihren Pfei¬ len nicht ſicher. Sieh da! rief ſie, auch Lady Eva, Geborne von Rippe, wie ſie mit der Schlange diskurirt! Es iſt ein guter Einfall des Malers, daß er der Schlange einen menſchlichen Kopf mit einem menſchlichen Geſichte gab; es waͤre jedoch noch weit ſinnreicher geweſen, wenn er dieſes Verfuͤh¬ rungsgeſicht mit einem militaͤriſchen Schnurbart verziert haͤtte. Sehen Sie, Doktor, dort den Engel, welcher der hochgebenedeiten Jungfrau

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/68
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/68>, abgerufen am 21.11.2024.