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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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I like this man, sagte Mylady.

Da haben Sie Recht, antwortete ich, auch
mir gefällt er besser als mancher unserer sanften,
homöopathischen Seelenärzte, die Ver¬
nunft in einem Eimer Moralwasser schütten, und
uns damit des Sonntags zur Ruhe predigen.

Ja, Doktor, für seine Hölle habe ich Respekt;
aber zu seinem Himmel hab ich kein rechtes Ver¬
trauen. Wie ich mich denn überhaupt in Anse¬
hung des Himmels schon sehr früh in geheimen
Zweifel verfing. Als ich noch klein war, in Du¬
blin, lag ich oft auf dem Rücken im Gras,
und sah in den Himmel, und dachte nach: ob
wohl der Himmel wirklich so viele Herrlichkeiten
enthalten mag, wie man davon rühmt? Aber,
dacht ich, wie kommts, daß von diesen Herrlich¬
keiten niemals etwas herunterfällt, etwa ein bril¬
lantener Ohrring, oder eine Schnur Perlen oder
wenigstens ein Stückchen Ananaskuchen, und daß
immer nur Hagel oder Schnee oder gewöhnlicher

5 *

I like this man, ſagte Mylady.

Da haben Sie Recht, antwortete ich, auch
mir gefaͤllt er beſſer als mancher unſerer ſanften,
homoͤopathiſchen Seelenaͤrzte, die Ver¬
nunft in einem Eimer Moralwaſſer ſchuͤtten, und
uns damit des Sonntags zur Ruhe predigen.

Ja, Doktor, fuͤr ſeine Hoͤlle habe ich Reſpekt;
aber zu ſeinem Himmel hab ich kein rechtes Ver¬
trauen. Wie ich mich denn uͤberhaupt in Anſe¬
hung des Himmels ſchon ſehr fruͤh in geheimen
Zweifel verfing. Als ich noch klein war, in Du¬
blin, lag ich oft auf dem Ruͤcken im Gras,
und ſah in den Himmel, und dachte nach: ob
wohl der Himmel wirklich ſo viele Herrlichkeiten
enthalten mag, wie man davon ruͤhmt? Aber,
dacht ich, wie kommts, daß von dieſen Herrlich¬
keiten niemals etwas herunterfaͤllt, etwa ein bril¬
lantener Ohrring, oder eine Schnur Perlen oder
wenigſtens ein Stuͤckchen Ananaskuchen, und daß
immer nur Hagel oder Schnee oder gewoͤhnlicher

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[67/0081] I like this man, ſagte Mylady. Da haben Sie Recht, antwortete ich, auch mir gefaͤllt er beſſer als mancher unſerer ſanften, homoͤopathiſchen Seelenaͤrzte, die [FORMEL] Ver¬ nunft in einem Eimer Moralwaſſer ſchuͤtten, und uns damit des Sonntags zur Ruhe predigen. Ja, Doktor, fuͤr ſeine Hoͤlle habe ich Reſpekt; aber zu ſeinem Himmel hab ich kein rechtes Ver¬ trauen. Wie ich mich denn uͤberhaupt in Anſe¬ hung des Himmels ſchon ſehr fruͤh in geheimen Zweifel verfing. Als ich noch klein war, in Du¬ blin, lag ich oft auf dem Ruͤcken im Gras, und ſah in den Himmel, und dachte nach: ob wohl der Himmel wirklich ſo viele Herrlichkeiten enthalten mag, wie man davon ruͤhmt? Aber, dacht ich, wie kommts, daß von dieſen Herrlich¬ keiten niemals etwas herunterfaͤllt, etwa ein bril¬ lantener Ohrring, oder eine Schnur Perlen oder wenigſtens ein Stuͤckchen Ananaskuchen, und daß immer nur Hagel oder Schnee oder gewoͤhnlicher 5 *

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/81>, abgerufen am 21.11.2024.