und Flinten, besonders wenn sie in großer An¬ zahl, wie bey außerordentlichen Manoeuvern, in Reih und Glied aufmarschiren. Wenn nun einer von diesen tausenden plötzlich verrückt wird, und mit der Waffe, die er schon in der Hand hat, mich auf der Stelle niedersticht? Oder wenn er gar plötzlich vernünftig wird und nachdenkt: "was hast du zu riskiren? zu verlieren? selbst wenn sie dir das Leben nehmen? Mag auch jene andre Welt, die uns nach dem Tode versprochen wird, nicht so ganz brillant seyn, wie man sie rühmt, mag sie noch so schlecht seyn, weniger als man dir jetzt giebt, weniger als sechs Kreuzer per Tag, kann man dir auch dort nicht geben -- drum mach dir den Spaß und erstich jene kleine Engländerin mit der impertinenten Nase!" Bin ich da nicht in der größten Lebensgefahr? Wenn ich König wäre, so würde ich meine Soldaten in zwey Classen theilen. Die Einen ließe ich an Unsterb¬ lichkeit glauben, um in der Schlacht Muth zu
und Flinten, beſonders wenn ſie in großer An¬ zahl, wie bey außerordentlichen Manoeuvern, in Reih und Glied aufmarſchiren. Wenn nun einer von dieſen tauſenden ploͤtzlich verruͤckt wird, und mit der Waffe, die er ſchon in der Hand hat, mich auf der Stelle niederſticht? Oder wenn er gar ploͤtzlich vernuͤnftig wird und nachdenkt: „was haſt du zu riskiren? zu verlieren? ſelbſt wenn ſie dir das Leben nehmen? Mag auch jene andre Welt, die uns nach dem Tode verſprochen wird, nicht ſo ganz brillant ſeyn, wie man ſie ruͤhmt, mag ſie noch ſo ſchlecht ſeyn, weniger als man dir jetzt giebt, weniger als ſechs Kreuzer per Tag, kann man dir auch dort nicht geben — drum mach dir den Spaß und erſtich jene kleine Englaͤnderin mit der impertinenten Naſe!“ Bin ich da nicht in der groͤßten Lebensgefahr? Wenn ich Koͤnig waͤre, ſo wuͤrde ich meine Soldaten in zwey Claſſen theilen. Die Einen ließe ich an Unſterb¬ lichkeit glauben, um in der Schlacht Muth zu
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und Flinten, beſonders wenn ſie in großer An¬
zahl, wie bey außerordentlichen Manoeuvern, in
Reih und Glied aufmarſchiren. Wenn nun einer
von dieſen tauſenden ploͤtzlich verruͤckt wird, und
mit der Waffe, die er ſchon in der Hand hat,
mich auf der Stelle niederſticht? Oder wenn er
gar ploͤtzlich vernuͤnftig wird und nachdenkt: „was
haſt du zu riskiren? zu verlieren? ſelbſt wenn ſie
dir das Leben nehmen? Mag auch jene andre
Welt, die uns nach dem Tode verſprochen wird,
nicht ſo ganz brillant ſeyn, wie man ſie ruͤhmt,
mag ſie noch ſo ſchlecht ſeyn, weniger als man
dir jetzt giebt, weniger als ſechs Kreuzer per Tag,
kann man dir auch dort nicht geben — drum mach
dir den Spaß und erſtich jene kleine Englaͤnderin
mit der impertinenten Naſe!“ Bin ich da nicht
in der groͤßten Lebensgefahr? Wenn ich Koͤnig
waͤre, ſo wuͤrde ich meine Soldaten in zwey
Claſſen theilen. Die Einen ließe ich an Unſterb¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/89>, abgerufen am 24.11.2024.
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