Heine, Heinrich: [Rezension:] Die deutsche Literatur von Wolfgang Menzel. 2 Theile. Stuttgart, bei Gebrüder Frankh. 1828. In: Neue allgemeine politische Annalen, Band 27, Heft 3 (1828), S. 284–298.der Schulgelehrsamkeit, Einfluß der fremden Literatur, der "Bevor wir die Literatur der politischen Praxis betrach- der Schulgelehrſamkeit, Einfluß der fremden Literatur, der „Bevor wir die Literatur der politiſchen Praxis betrach- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0008" n="290"/> der Schulgelehrſamkeit, Einfluß der fremden Literatur, der<lb/> literariſche Verkehr, Religion, Philoſophie, Geſchichte, Staat,<lb/> Erziehung, Natur, Kunſt und Kritik.“ Es iſt zu bezwei-<lb/> feln, ob ein junger Gelehrter in allen möglichen Disciplinen<lb/> ſo tief eingeweiht ſeyn kann, daß wir eine gründliche Kritik<lb/> des neueſten Zuſtandes derſelben von ihm erwarten dürften.<lb/> Herr Menzel hat ſich durch Divination und Konſtruktion zu<lb/> helfen gewußt. Jm Diviniren iſt er oft ſehr glücklich, im<lb/> Konſtruiren immer geiſtreich. Wenn auch zuweilen ſeine An-<lb/> nahmen willkürlich und irrig ſind, ſo iſt er doch unübertrefflich<lb/> im Zuſammenſtellen des Gleichartigen und der Gegenſätze.<lb/> Er verfährt kombinatoriſch und konziliatoriſch. Den Zweck<lb/> dieſer Blätter berückſichtigend wollen wir als eine Probe der<lb/> Menzelſchen Darſtellungsweiſe die folgende Stelle aus der<lb/> Rubrik „Staat“ mittheilen:</p><lb/> <p>„Bevor wir die Literatur der politiſchen Praxis betrach-<lb/> ten, wollen wir einen Blick auf die Theorien werfen. Alle<lb/> Praxis geht von den Theorien aus. Es iſt jezt nicht mehr<lb/> die Zeit, da die Völker aus einem gewiſſen ſinnlichen Ueber-<lb/> muth, oder aus zufälligen, örtlichen Veranlaſſungen in einen<lb/> vorübergehenden Hader gerathen. Sie kämpfen vielmehr um<lb/> Jdeen, und eben darum iſt ihr Kampf ein allgemeiner, im<lb/> Herzen eines jeden Volks ſelbſt, und nur in ſo fern eines<lb/> Volks wider das andere, als bei dem einen dieſe, bei dem<lb/> anderen jene Jdee das Uebergewicht behauptet. Der Kampf<lb/> iſt durchaus philoſophiſch geworden, ſo wie er früher religiös<lb/> geweſen. Es iſt nicht ein Vaterland, nicht ein großer Mann,<lb/> worüber man ſtreitet, ſondern es sind <hi rendition="#g">Ueberzeugungen</hi>,<lb/> denen die Völker wie die Helden ſich unterordnen müſſen.<lb/> Völker haben mit Jdeen geſiegt, aber ſobald ſie ihren Namen<lb/> an die Stelle der Jdee zu ſetzen gewagt, ſind ſie zu Schanden<lb/> geworden; Helden haben durch Jdeen eine Art von Weltherr-<lb/> ſchaft erobert, aber ſobald ſie die Jdee verlaſſen, ſind ſie in<lb/> Staub gebrochen. Die Menſchen haben gewechſelt, nur die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [290/0008]
der Schulgelehrſamkeit, Einfluß der fremden Literatur, der
literariſche Verkehr, Religion, Philoſophie, Geſchichte, Staat,
Erziehung, Natur, Kunſt und Kritik.“ Es iſt zu bezwei-
feln, ob ein junger Gelehrter in allen möglichen Disciplinen
ſo tief eingeweiht ſeyn kann, daß wir eine gründliche Kritik
des neueſten Zuſtandes derſelben von ihm erwarten dürften.
Herr Menzel hat ſich durch Divination und Konſtruktion zu
helfen gewußt. Jm Diviniren iſt er oft ſehr glücklich, im
Konſtruiren immer geiſtreich. Wenn auch zuweilen ſeine An-
nahmen willkürlich und irrig ſind, ſo iſt er doch unübertrefflich
im Zuſammenſtellen des Gleichartigen und der Gegenſätze.
Er verfährt kombinatoriſch und konziliatoriſch. Den Zweck
dieſer Blätter berückſichtigend wollen wir als eine Probe der
Menzelſchen Darſtellungsweiſe die folgende Stelle aus der
Rubrik „Staat“ mittheilen:
„Bevor wir die Literatur der politiſchen Praxis betrach-
ten, wollen wir einen Blick auf die Theorien werfen. Alle
Praxis geht von den Theorien aus. Es iſt jezt nicht mehr
die Zeit, da die Völker aus einem gewiſſen ſinnlichen Ueber-
muth, oder aus zufälligen, örtlichen Veranlaſſungen in einen
vorübergehenden Hader gerathen. Sie kämpfen vielmehr um
Jdeen, und eben darum iſt ihr Kampf ein allgemeiner, im
Herzen eines jeden Volks ſelbſt, und nur in ſo fern eines
Volks wider das andere, als bei dem einen dieſe, bei dem
anderen jene Jdee das Uebergewicht behauptet. Der Kampf
iſt durchaus philoſophiſch geworden, ſo wie er früher religiös
geweſen. Es iſt nicht ein Vaterland, nicht ein großer Mann,
worüber man ſtreitet, ſondern es sind Ueberzeugungen,
denen die Völker wie die Helden ſich unterordnen müſſen.
Völker haben mit Jdeen geſiegt, aber ſobald ſie ihren Namen
an die Stelle der Jdee zu ſetzen gewagt, ſind ſie zu Schanden
geworden; Helden haben durch Jdeen eine Art von Weltherr-
ſchaft erobert, aber ſobald ſie die Jdee verlaſſen, ſind ſie in
Staub gebrochen. Die Menſchen haben gewechſelt, nur die
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Universität Duisburg-Essen, Projekt Lyriktheorie (Dr. Rudolf Brandmeyer): Bereitstellung der Texttranskription.
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