Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

mer schier unsre ganze Poesie zu Grunde gerich-
tet. Die Thoren seufzten ihm Jahrhunderte
lang nach, und mancher besang bey einer feilen
Dirne die Grausamkeit der berühmten Provenza-
lin in unerträglichem Einerley, anstatt die ver-
schiednen Reize der Erdentöchter, in ihrer Man-
nigfaltigkeit, wie die heitern Griechen aufzuem-
pfinden. Er selbst zwang die kluge Frau zur un-
erbittlichen Strenge: sie schwebte ja in augen-
scheinlicher Gefahr, daß er bey der ersten Gunst
noch einen Band Sonette, und berühmtere Oden
auf etwas anders als ihre schönen Augen
machte."

"An Planen von Entführung und ewiger
Verbindung wurde von uns im Anfange stark
gearbeitet; aber weil wir keine Luftgestalten
waren und Sinn hatten, und sie auf keine Weise
von ihrer Familie lassen wollte, die sie allzuzärtlich
liebte, und besonders ihre Mutter todt zu kränken
befürchtete: legten sie sich bey näherer Bekannt-

schaft

mer ſchier unſre ganze Poeſie zu Grunde gerich-
tet. Die Thoren ſeufzten ihm Jahrhunderte
lang nach, und mancher beſang bey einer feilen
Dirne die Grauſamkeit der beruͤhmten Provenza-
lin in unertraͤglichem Einerley, anſtatt die ver-
ſchiednen Reize der Erdentoͤchter, in ihrer Man-
nigfaltigkeit, wie die heitern Griechen aufzuem-
pfinden. Er ſelbſt zwang die kluge Frau zur un-
erbittlichen Strenge: ſie ſchwebte ja in augen-
ſcheinlicher Gefahr, daß er bey der erſten Gunſt
noch einen Band Sonette, und beruͤhmtere Oden
auf etwas anders als ihre ſchoͤnen Augen
machte.“

“An Planen von Entfuͤhrung und ewiger
Verbindung wurde von uns im Anfange ſtark
gearbeitet; aber weil wir keine Luftgeſtalten
waren und Sinn hatten, und ſie auf keine Weiſe
von ihrer Familie laſſen wollte, die ſie allzuzaͤrtlich
liebte, und beſonders ihre Mutter todt zu kraͤnken
befuͤrchtete: legten ſie ſich bey naͤherer Bekannt-

ſchaft
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126" n="120"/>
mer &#x017F;chier un&#x017F;re ganze Poe&#x017F;ie zu Grunde gerich-<lb/>
tet. Die Thoren &#x017F;eufzten ihm Jahrhunderte<lb/>
lang nach, und mancher be&#x017F;ang bey einer feilen<lb/>
Dirne die Grau&#x017F;amkeit der beru&#x0364;hmten Provenza-<lb/>
lin in unertra&#x0364;glichem Einerley, an&#x017F;tatt die ver-<lb/>
&#x017F;chiednen Reize der Erdento&#x0364;chter, in ihrer Man-<lb/>
nigfaltigkeit, wie die heitern Griechen aufzuem-<lb/>
pfinden. Er &#x017F;elb&#x017F;t zwang die kluge Frau zur un-<lb/>
erbittlichen Strenge: &#x017F;ie &#x017F;chwebte ja in augen-<lb/>
&#x017F;cheinlicher Gefahr, daß er bey der er&#x017F;ten Gun&#x017F;t<lb/>
noch einen Band Sonette, und beru&#x0364;hmtere Oden<lb/>
auf etwas anders als ihre &#x017F;cho&#x0364;nen Augen<lb/>
machte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201C;An Planen von Entfu&#x0364;hrung und ewiger<lb/>
Verbindung wurde von uns im Anfange &#x017F;tark<lb/>
gearbeitet; aber weil wir keine Luftge&#x017F;talten<lb/>
waren und Sinn hatten, und &#x017F;ie auf keine Wei&#x017F;e<lb/>
von ihrer Familie la&#x017F;&#x017F;en wollte, die &#x017F;ie allzuza&#x0364;rtlich<lb/>
liebte, und be&#x017F;onders ihre Mutter todt zu kra&#x0364;nken<lb/>
befu&#x0364;rchtete: legten &#x017F;ie &#x017F;ich bey na&#x0364;herer Bekannt-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chaft</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0126] mer ſchier unſre ganze Poeſie zu Grunde gerich- tet. Die Thoren ſeufzten ihm Jahrhunderte lang nach, und mancher beſang bey einer feilen Dirne die Grauſamkeit der beruͤhmten Provenza- lin in unertraͤglichem Einerley, anſtatt die ver- ſchiednen Reize der Erdentoͤchter, in ihrer Man- nigfaltigkeit, wie die heitern Griechen aufzuem- pfinden. Er ſelbſt zwang die kluge Frau zur un- erbittlichen Strenge: ſie ſchwebte ja in augen- ſcheinlicher Gefahr, daß er bey der erſten Gunſt noch einen Band Sonette, und beruͤhmtere Oden auf etwas anders als ihre ſchoͤnen Augen machte.“ “An Planen von Entfuͤhrung und ewiger Verbindung wurde von uns im Anfange ſtark gearbeitet; aber weil wir keine Luftgeſtalten waren und Sinn hatten, und ſie auf keine Weiſe von ihrer Familie laſſen wollte, die ſie allzuzaͤrtlich liebte, und beſonders ihre Mutter todt zu kraͤnken befuͤrchtete: legten ſie ſich bey naͤherer Bekannt- ſchaft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/126
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/126>, abgerufen am 21.11.2024.