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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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sal mit eisernen Ketten an mein Elend, und ich
kann ihm nicht entrinnen: du aber geh in ein an-
der Land, sey glücklich bey allen deinen Vollkom-
menheiten, und laß mich. O Gott, schluchzte
sie, wer weiß, wenn und wie und wo, und ob
wir je uns wieder sehen!"

"Ardinghello umwand sie fest mit seinen Ar-
men, und träufelt ihr mit der Stimme des lebendig-
sten Gefühls ins Ohr: welche sklavische Furcht
hat sich deiner bemeistert! komme wieder zu dir,
und rede mit Besinnung Es siege die Liebe, die
in der Natur allen andern vorging, und die Gerech-
tigkeit! hast du keinen Blick in die Tage der Zu-
kunft? einem solchen bösartigen Ungeheuer
wolltest du an der Seite liegen, und deine glän-
zende Wohlgestalt von ihm schänden lassen, in
lauter Gram und Ekel, da die edelsten Jünglin-
ge voll Eifer und Feuer vor dir schmachten? hat dieß
so mächtig wallende Herz in deinem Busen so
wenig eigne Kraft, daß es nichts für sich thut:

son-
K 2

ſal mit eiſernen Ketten an mein Elend, und ich
kann ihm nicht entrinnen: du aber geh in ein an-
der Land, ſey gluͤcklich bey allen deinen Vollkom-
menheiten, und laß mich. O Gott, ſchluchzte
ſie, wer weiß, wenn und wie und wo, und ob
wir je uns wieder ſehen!“

„Ardinghello umwand ſie feſt mit ſeinen Ar-
men, und traͤufelt ihr mit der Stimme des lebendig-
ſten Gefuͤhls ins Ohr: welche ſklaviſche Furcht
hat ſich deiner bemeiſtert! komme wieder zu dir,
und rede mit Beſinnung Es ſiege die Liebe, die
in der Natur allen andern vorging, und die Gerech-
tigkeit! haſt du keinen Blick in die Tage der Zu-
kunft? einem ſolchen boͤsartigen Ungeheuer
wollteſt du an der Seite liegen, und deine glaͤn-
zende Wohlgeſtalt von ihm ſchaͤnden laſſen, in
lauter Gram und Ekel, da die edelſten Juͤnglin-
ge voll Eifer und Feuer vor dir ſchmachten? hat dieß
ſo maͤchtig wallende Herz in deinem Buſen ſo
wenig eigne Kraft, daß es nichts fuͤr ſich thut:

ſon-
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[147/0153] ſal mit eiſernen Ketten an mein Elend, und ich kann ihm nicht entrinnen: du aber geh in ein an- der Land, ſey gluͤcklich bey allen deinen Vollkom- menheiten, und laß mich. O Gott, ſchluchzte ſie, wer weiß, wenn und wie und wo, und ob wir je uns wieder ſehen!“ „Ardinghello umwand ſie feſt mit ſeinen Ar- men, und traͤufelt ihr mit der Stimme des lebendig- ſten Gefuͤhls ins Ohr: welche ſklaviſche Furcht hat ſich deiner bemeiſtert! komme wieder zu dir, und rede mit Beſinnung Es ſiege die Liebe, die in der Natur allen andern vorging, und die Gerech- tigkeit! haſt du keinen Blick in die Tage der Zu- kunft? einem ſolchen boͤsartigen Ungeheuer wollteſt du an der Seite liegen, und deine glaͤn- zende Wohlgeſtalt von ihm ſchaͤnden laſſen, in lauter Gram und Ekel, da die edelſten Juͤnglin- ge voll Eifer und Feuer vor dir ſchmachten? hat dieß ſo maͤchtig wallende Herz in deinem Buſen ſo wenig eigne Kraft, daß es nichts fuͤr ſich thut: ſon- K 2

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/153>, abgerufen am 24.11.2024.