gend vorzustellen, und setzte sich in gute Verfas- sung zur Flucht auf jeden Fall. Meine Mutter und ich waren beym Feste.
Eine zahlreiche Gesellschaft hatte sich ein- gefunden. Pracht und Ueberfluß, mit feiner Kunst angeordnet, herrschten an der Tafel, und in Sälen und Zimmern Glanz und Freude. Die Braut schien in neuen Empfindungen verloren, antwortete aber doch leicht jedem Schalk, und immer in jungfraulicher Bescheidenheit; jeder- mann schien den Glücklichen zu beneiden, dessen Beute sie ward, und den Wunsch im Herzen zu hegen, mit süßer Gier im Liebesbette, statt sei- ner, der zarten Schönheit Blume zu pflücken.
Gegen Abend erhob sich der Ball. Als die Kerzen brannten, vermißte man bald Braut und Bräutigam, und lächelte darüber. Der Bräu- tigam kam nach langer Zeit zuerst wieder, und seine Unenthal[t]samkeit und Enthaltsamkeit beklatsch-
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gend vorzuſtellen, und ſetzte ſich in gute Verfaſ- ſung zur Flucht auf jeden Fall. Meine Mutter und ich waren beym Feſte.
Eine zahlreiche Geſellſchaft hatte ſich ein- gefunden. Pracht und Ueberfluß, mit feiner Kunſt angeordnet, herrſchten an der Tafel, und in Saͤlen und Zimmern Glanz und Freude. Die Braut ſchien in neuen Empfindungen verloren, antwortete aber doch leicht jedem Schalk, und immer in jungfraulicher Beſcheidenheit; jeder- mann ſchien den Gluͤcklichen zu beneiden, deſſen Beute ſie ward, und den Wunſch im Herzen zu hegen, mit ſuͤßer Gier im Liebesbette, ſtatt ſei- ner, der zarten Schoͤnheit Blume zu pfluͤcken.
Gegen Abend erhob ſich der Ball. Als die Kerzen brannten, vermißte man bald Braut und Braͤutigam, und laͤchelte daruͤber. Der Braͤu- tigam kam nach langer Zeit zuerſt wieder, und ſeine Unenthal[t]ſamkeit und Enthaltſamkeit beklatſch-
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gend vorzuſtellen, und ſetzte ſich in gute Verfaſ-
ſung zur Flucht auf jeden Fall. Meine Mutter
und ich waren beym Feſte.
Eine zahlreiche Geſellſchaft hatte ſich ein-
gefunden. Pracht und Ueberfluß, mit feiner
Kunſt angeordnet, herrſchten an der Tafel, und in
Saͤlen und Zimmern Glanz und Freude. Die
Braut ſchien in neuen Empfindungen verloren,
antwortete aber doch leicht jedem Schalk, und
immer in jungfraulicher Beſcheidenheit; jeder-
mann ſchien den Gluͤcklichen zu beneiden, deſſen
Beute ſie ward, und den Wunſch im Herzen zu
hegen, mit ſuͤßer Gier im Liebesbette, ſtatt ſei-
ner, der zarten Schoͤnheit Blume zu pfluͤcken.
Gegen Abend erhob ſich der Ball. Als die
Kerzen brannten, vermißte man bald Braut und
Braͤutigam, und laͤchelte daruͤber. Der Braͤu-
tigam kam nach langer Zeit zuerſt wieder, und
ſeine Unenthaltſamkeit und Enthaltſamkeit beklatſch-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/157>, abgerufen am 24.11.2024.
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