Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir langten gerad auf den Rennplatz an,
als die Pferde schon vorgeführt wurden. Die Si-
tze waren lauter Licht und Glanz von schönen
und prächtig gekleideten Herren und Damen, mit
einer Menge Volks überall. Der Pferde wa-
ren nur drey; aber alle drey muhtschnaubende
Königliche Thiere, so daß es schwer war, vor-
aus zu bestimmen, welches den Preis davon
tragen würde. Man hatte deßwegen große Wetten
angestellt; die mehrsten waren für einen göttlich
schönen Rappen, der sich an den Schranken gar
nicht wollte halten lassen. Ein Falk stand dage-
gen still da: doch brach der Blick seines Augs in
die Bahn wie ein Sonnenstrahl, und sein Fuß
hob sich leicht wie lauter volle Nerve. Wie das Seil
fiel, that auch der Rapp einen Vorschuß; in der
Mitte der Bahn aber zog der Falk so aus und
überhohlte die andern, daß sein Gang schneller
war, als die Geschwindigkeit eines Sturmwinds
über gelbe Saaten; er flog dahin, und seine Bewe-
gung war das Entzücken aller Augen, selbst de-

rer,

Wir langten gerad auf den Rennplatz an,
als die Pferde ſchon vorgefuͤhrt wurden. Die Si-
tze waren lauter Licht und Glanz von ſchoͤnen
und praͤchtig gekleideten Herren und Damen, mit
einer Menge Volks uͤberall. Der Pferde wa-
ren nur drey; aber alle drey muhtſchnaubende
Koͤnigliche Thiere, ſo daß es ſchwer war, vor-
aus zu beſtimmen, welches den Preis davon
tragen wuͤrde. Man hatte deßwegen große Wetten
angeſtellt; die mehrſten waren fuͤr einen goͤttlich
ſchoͤnen Rappen, der ſich an den Schranken gar
nicht wollte halten laſſen. Ein Falk ſtand dage-
gen ſtill da: doch brach der Blick ſeines Augs in
die Bahn wie ein Sonnenſtrahl, und ſein Fuß
hob ſich leicht wie lauter volle Nerve. Wie das Seil
fiel, that auch der Rapp einen Vorſchuß; in der
Mitte der Bahn aber zog der Falk ſo aus und
uͤberhohlte die andern, daß ſein Gang ſchneller
war, als die Geſchwindigkeit eines Sturmwinds
uͤber gelbe Saaten; er flog dahin, und ſeine Bewe-
gung war das Entzuͤcken aller Augen, ſelbſt de-

rer,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0188" n="182"/>
        <p>Wir langten gerad auf den Rennplatz an,<lb/>
als die Pferde &#x017F;chon vorgefu&#x0364;hrt wurden. Die Si-<lb/>
tze waren lauter Licht und Glanz von &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
und pra&#x0364;chtig gekleideten Herren und Damen, mit<lb/>
einer Menge Volks u&#x0364;berall. Der Pferde wa-<lb/>
ren nur drey; aber alle drey muht&#x017F;chnaubende<lb/>
Ko&#x0364;nigliche Thiere, &#x017F;o daß es &#x017F;chwer war, vor-<lb/>
aus zu be&#x017F;timmen, welches den Preis davon<lb/>
tragen wu&#x0364;rde. Man hatte deßwegen große Wetten<lb/>
ange&#x017F;tellt; die mehr&#x017F;ten waren fu&#x0364;r einen go&#x0364;ttlich<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Rappen, der &#x017F;ich an den Schranken gar<lb/>
nicht wollte halten la&#x017F;&#x017F;en. Ein Falk &#x017F;tand dage-<lb/>
gen &#x017F;till da: doch brach der Blick &#x017F;eines Augs in<lb/>
die Bahn wie ein Sonnen&#x017F;trahl, und &#x017F;ein Fuß<lb/>
hob &#x017F;ich leicht wie lauter volle Nerve. Wie das Seil<lb/>
fiel, that auch der Rapp einen Vor&#x017F;chuß; in der<lb/>
Mitte der Bahn aber zog der Falk &#x017F;o aus und<lb/>
u&#x0364;berhohlte die andern, daß &#x017F;ein Gang &#x017F;chneller<lb/>
war, als die Ge&#x017F;chwindigkeit eines Sturmwinds<lb/>
u&#x0364;ber gelbe Saaten; er flog dahin, und &#x017F;eine Bewe-<lb/>
gung war das Entzu&#x0364;cken aller Augen, &#x017F;elb&#x017F;t de-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rer,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0188] Wir langten gerad auf den Rennplatz an, als die Pferde ſchon vorgefuͤhrt wurden. Die Si- tze waren lauter Licht und Glanz von ſchoͤnen und praͤchtig gekleideten Herren und Damen, mit einer Menge Volks uͤberall. Der Pferde wa- ren nur drey; aber alle drey muhtſchnaubende Koͤnigliche Thiere, ſo daß es ſchwer war, vor- aus zu beſtimmen, welches den Preis davon tragen wuͤrde. Man hatte deßwegen große Wetten angeſtellt; die mehrſten waren fuͤr einen goͤttlich ſchoͤnen Rappen, der ſich an den Schranken gar nicht wollte halten laſſen. Ein Falk ſtand dage- gen ſtill da: doch brach der Blick ſeines Augs in die Bahn wie ein Sonnenſtrahl, und ſein Fuß hob ſich leicht wie lauter volle Nerve. Wie das Seil fiel, that auch der Rapp einen Vorſchuß; in der Mitte der Bahn aber zog der Falk ſo aus und uͤberhohlte die andern, daß ſein Gang ſchneller war, als die Geſchwindigkeit eines Sturmwinds uͤber gelbe Saaten; er flog dahin, und ſeine Bewe- gung war das Entzuͤcken aller Augen, ſelbſt de- rer,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/188
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/188>, abgerufen am 24.11.2024.