gestatteten Kuß und Umarmung, wenn wir al- lein wären; ganz die Gestalt einer Bacchantin in Gluth und Ueppigkeit, voll Körperreiz mit frecher Seele: welche Weiber mir nur in gewis- sen Momenten gefallen können. Ich fühlte we- nig Neigung, nähere Bekantschaft mit ihr zu machen; wohl aber mit einem andern Frauen- zimmer, dessen Mutter, was die Formen des Ge- sichts betrift, sich an dem Vatikanischen Apollo versehen zu haben scheint, nur ohne Stolz und Zorn, vielmehr alles heilige Güte; ein wunder- bares Geschöpf!
Ich erfuhr von Boccadoren, es sey eine Freundin der Braut, und hielte sich bey ihr auf. Die Eltern wären verunglückte Kaufleute aus Nizza in der Provence gewesen, und vor eini- gen Jahren gestorben. Die Braut heißt Fulvia, und die Freundin Lucinde; ich verlangte die letztere tanzen zu sehen, aber sie tanzte nicht.
Et-
geſtatteten Kuß und Umarmung, wenn wir al- lein waͤren; ganz die Geſtalt einer Bacchantin in Gluth und Ueppigkeit, voll Koͤrperreiz mit frecher Seele: welche Weiber mir nur in gewiſ- ſen Momenten gefallen koͤnnen. Ich fuͤhlte we- nig Neigung, naͤhere Bekantſchaft mit ihr zu machen; wohl aber mit einem andern Frauen- zimmer, deſſen Mutter, was die Formen des Ge- ſichts betrift, ſich an dem Vatikaniſchen Apollo verſehen zu haben ſcheint, nur ohne Stolz und Zorn, vielmehr alles heilige Guͤte; ein wunder- bares Geſchoͤpf!
Ich erfuhr von Boccadoren, es ſey eine Freundin der Braut, und hielte ſich bey ihr auf. Die Eltern waͤren verungluͤckte Kaufleute aus Nizza in der Provence geweſen, und vor eini- gen Jahren geſtorben. Die Braut heißt Fulvia, und die Freundin Lucinde; ich verlangte die letztere tanzen zu ſehen, aber ſie tanzte nicht.
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geſtatteten Kuß und Umarmung, wenn wir al-
lein waͤren; ganz die Geſtalt einer Bacchantin
in Gluth und Ueppigkeit, voll Koͤrperreiz mit
frecher Seele: welche Weiber mir nur in gewiſ-
ſen Momenten gefallen koͤnnen. Ich fuͤhlte we-
nig Neigung, naͤhere Bekantſchaft mit ihr zu
machen; wohl aber mit einem andern Frauen-
zimmer, deſſen Mutter, was die Formen des Ge-
ſichts betrift, ſich an dem Vatikaniſchen Apollo
verſehen zu haben ſcheint, nur ohne Stolz und
Zorn, vielmehr alles heilige Guͤte; ein wunder-
bares Geſchoͤpf!
Ich erfuhr von Boccadoren, es ſey eine
Freundin der Braut, und hielte ſich bey ihr auf.
Die Eltern waͤren verungluͤckte Kaufleute aus
Nizza in der Provence geweſen, und vor eini-
gen Jahren geſtorben. Die Braut heißt Fulvia,
und die Freundin Lucinde; ich verlangte die
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/194>, abgerufen am 21.11.2024.
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