Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Die zwey andern Schiffe hätt er freylich nicht
nach Sicilien ausschicken sollen; aber wer kann
alles vorhersehen? Wer wußte, daß die Räuber
so stark waren? Nach geschehener That ist jeder
Tropf klüger, als Hannibal und Cäsar.

Ich hingegen war glücklich wie ein Gott;
mich dünkte, daß ich erst das wahre Leben recht
geschmeckt hätte. Doria der strenge machte bey
allem seinem Verdruß mir große Lobsprüche, und
sagte öffentlich: "du hast einen schönen Anfang
gemacht, Junge; wenn du länger lebst, und so
fortfährst, wird ein berühmter Held aus dir wer-
den." Fulvia, deren Schutzengel ich gewesen
war, dankte mir mit Thränen voller Zärtlich-
keit. Aber mehr als alles, auch die schöne Pro-
venzalin Lucinde befand sich unter den Gerette-
ten; die nur noch jämmerlich an der Seekrank-
heit litt, und bis aufs Blut von sich gab. Ich
hatte nicht die geringste Anwandlung davon ge-
spürt; und es erquickt mich durch Mark und Bein

daß
N 3

Die zwey andern Schiffe haͤtt er freylich nicht
nach Sicilien ausſchicken ſollen; aber wer kann
alles vorherſehen? Wer wußte, daß die Raͤuber
ſo ſtark waren? Nach geſchehener That iſt jeder
Tropf kluͤger, als Hannibal und Caͤſar.

Ich hingegen war gluͤcklich wie ein Gott;
mich duͤnkte, daß ich erſt das wahre Leben recht
geſchmeckt haͤtte. Doria der ſtrenge machte bey
allem ſeinem Verdruß mir große Lobſpruͤche, und
ſagte oͤffentlich: „du haſt einen ſchoͤnen Anfang
gemacht, Junge; wenn du laͤnger lebſt, und ſo
fortfaͤhrſt, wird ein beruͤhmter Held aus dir wer-
den.„ Fulvia, deren Schutzengel ich geweſen
war, dankte mir mit Thraͤnen voller Zaͤrtlich-
keit. Aber mehr als alles, auch die ſchoͤne Pro-
venzalin Lucinde befand ſich unter den Gerette-
ten; die nur noch jaͤmmerlich an der Seekrank-
heit litt, und bis aufs Blut von ſich gab. Ich
hatte nicht die geringſte Anwandlung davon ge-
ſpuͤrt; und es erquickt mich durch Mark und Bein

daß
N 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0203" n="197"/>
Die zwey andern Schiffe ha&#x0364;tt er freylich nicht<lb/>
nach Sicilien aus&#x017F;chicken &#x017F;ollen; aber wer kann<lb/>
alles vorher&#x017F;ehen? Wer wußte, daß die Ra&#x0364;uber<lb/>
&#x017F;o &#x017F;tark waren? Nach ge&#x017F;chehener That i&#x017F;t jeder<lb/>
Tropf klu&#x0364;ger, als Hannibal und Ca&#x0364;&#x017F;ar.</p><lb/>
        <p>Ich hingegen war glu&#x0364;cklich wie ein Gott;<lb/>
mich du&#x0364;nkte, daß ich er&#x017F;t das wahre Leben recht<lb/>
ge&#x017F;chmeckt ha&#x0364;tte. Doria der &#x017F;trenge machte bey<lb/>
allem &#x017F;einem Verdruß mir große Lob&#x017F;pru&#x0364;che, und<lb/>
&#x017F;agte o&#x0364;ffentlich: &#x201E;du ha&#x017F;t einen &#x017F;cho&#x0364;nen Anfang<lb/>
gemacht, Junge; wenn du la&#x0364;nger leb&#x017F;t, und &#x017F;o<lb/>
fortfa&#x0364;hr&#x017F;t, wird ein beru&#x0364;hmter Held aus dir wer-<lb/>
den.&#x201E; <hi rendition="#fr">Fulvia</hi>, deren Schutzengel ich gewe&#x017F;en<lb/>
war, dankte mir mit Thra&#x0364;nen voller Za&#x0364;rtlich-<lb/>
keit. Aber mehr als alles, auch die &#x017F;cho&#x0364;ne Pro-<lb/>
venzalin Lucinde befand &#x017F;ich unter den Gerette-<lb/>
ten; die nur noch ja&#x0364;mmerlich an der Seekrank-<lb/>
heit litt, und bis aufs Blut von &#x017F;ich gab. Ich<lb/>
hatte nicht die gering&#x017F;te Anwandlung davon ge-<lb/>
&#x017F;pu&#x0364;rt; und es erquickt mich durch Mark und Bein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0203] Die zwey andern Schiffe haͤtt er freylich nicht nach Sicilien ausſchicken ſollen; aber wer kann alles vorherſehen? Wer wußte, daß die Raͤuber ſo ſtark waren? Nach geſchehener That iſt jeder Tropf kluͤger, als Hannibal und Caͤſar. Ich hingegen war gluͤcklich wie ein Gott; mich duͤnkte, daß ich erſt das wahre Leben recht geſchmeckt haͤtte. Doria der ſtrenge machte bey allem ſeinem Verdruß mir große Lobſpruͤche, und ſagte oͤffentlich: „du haſt einen ſchoͤnen Anfang gemacht, Junge; wenn du laͤnger lebſt, und ſo fortfaͤhrſt, wird ein beruͤhmter Held aus dir wer- den.„ Fulvia, deren Schutzengel ich geweſen war, dankte mir mit Thraͤnen voller Zaͤrtlich- keit. Aber mehr als alles, auch die ſchoͤne Pro- venzalin Lucinde befand ſich unter den Gerette- ten; die nur noch jaͤmmerlich an der Seekrank- heit litt, und bis aufs Blut von ſich gab. Ich hatte nicht die geringſte Anwandlung davon ge- ſpuͤrt; und es erquickt mich durch Mark und Bein daß N 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/203
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/203>, abgerufen am 24.11.2024.