auf immer unglücklich zu seyn! Niemand weiß mein Leiden. O, wär ich nur dort oben bey den Auserwählten unter den Heiligen und Engeln!" Und hier that sie einen schmachtenden Blick aus ihren großen schwarzen Augen gen Him- mel, und zerschmeltzte mir ganz mein Herz da- mit. "So viel Schönheit ist nicht gemacht, versetzt ich ihr, um hinieden sich zu quälen; wirf allen Kummer weg; und sey selbst so seelig, als du andere seelig machst." Sie schwieg, und neig- te das Haupt wie eine welke Blume, und ging, ohne auf meine Reden Acht zu geben, mit mir voran; ihre traurige Miene, und blasse Farbe, ihr verwirrtes Haar, und losgegangnes Ge- wand vollendeten das Bild einer bezaubernden Heiligen. Wir quartierten sie zusammen in ein Haus ein, und sie wurden gut verpflegt und ge- wartet. Ich selbst blieb in dem Städchen, und ruh- te die Nacht aus; meine Streifwunde hatte zwar nichts zu bedeuten.
Den
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auf immer ungluͤcklich zu ſeyn! Niemand weiß mein Leiden. O, waͤr ich nur dort oben bey den Auserwaͤhlten unter den Heiligen und Engeln!„ Und hier that ſie einen ſchmachtenden Blick aus ihren großen ſchwarzen Augen gen Him- mel, und zerſchmeltzte mir ganz mein Herz da- mit. „So viel Schoͤnheit iſt nicht gemacht, verſetzt ich ihr, um hinieden ſich zu quaͤlen; wirf allen Kummer weg; und ſey ſelbſt ſo ſeelig, als du andere ſeelig machſt.„ Sie ſchwieg, und neig- te das Haupt wie eine welke Blume, und ging, ohne auf meine Reden Acht zu geben, mit mir voran; ihre traurige Miene, und blaſſe Farbe, ihr verwirrtes Haar, und losgegangnes Ge- wand vollendeten das Bild einer bezaubernden Heiligen. Wir quartierten ſie zuſammen in ein Haus ein, und ſie wurden gut verpflegt und ge- wartet. Ich ſelbſt blieb in dem Staͤdchen, und ruh- te die Nacht aus; meine Streifwunde hatte zwar nichts zu bedeuten.
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[199/0205]
auf immer ungluͤcklich zu ſeyn! Niemand weiß
mein Leiden. O, waͤr ich nur dort oben
bey den Auserwaͤhlten unter den Heiligen und
Engeln!„ Und hier that ſie einen ſchmachtenden
Blick aus ihren großen ſchwarzen Augen gen Him-
mel, und zerſchmeltzte mir ganz mein Herz da-
mit. „So viel Schoͤnheit iſt nicht gemacht,
verſetzt ich ihr, um hinieden ſich zu quaͤlen; wirf
allen Kummer weg; und ſey ſelbſt ſo ſeelig, als
du andere ſeelig machſt.„ Sie ſchwieg, und neig-
te das Haupt wie eine welke Blume, und ging,
ohne auf meine Reden Acht zu geben, mit mir
voran; ihre traurige Miene, und blaſſe Farbe,
ihr verwirrtes Haar, und losgegangnes Ge-
wand vollendeten das Bild einer bezaubernden
Heiligen. Wir quartierten ſie zuſammen in ein
Haus ein, und ſie wurden gut verpflegt und ge-
wartet. Ich ſelbſt blieb in dem Staͤdchen, und ruh-
te die Nacht aus; meine Streifwunde hatte zwar
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/205>, abgerufen am 24.11.2024.
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