rein bis auf einige Küsse, die sie dem Verdammten unterdessen habe gestatten müssen. Die andern wären meistens noch viel ärger als die Braut von der Seekrankheit befallen gewesen, so daß die Barbaren selbst Mitleiden und Barmherzig- keit gegen sie gehabt hätten, ohne sie weiter noch zu martern. Außerdem habe die Noth in Sicher- heit zu kommen, die Räuber zu äußerster Ge- schäftigkeit angetrieben, und die Menge die Begierden jedes einzelnen im Zaum gehalten; und so seyen sie noch glücklich der Schand ent- rissen worden, und eine könne für die andre zeugen. Biondello habe denn in der Verzweiflung Fulvien aus Eifersucht niedersäbeln wollen, als ich sie errettet hätte. "Heilloses Geschenk der Schönheit, rief sie aus, in wie viele Drangsale stürzest du uns! und wenn wir andre damit glück- lich machen, so gerathen wir dadurch selbst in das äußerste Elend. Wie die Könige, die alles ver- mögen, nur daß unsre Herrschaft kurze Zeit dauert,
ha-
N 5
rein bis auf einige Kuͤſſe, die ſie dem Verdammten unterdeſſen habe geſtatten muͤſſen. Die andern waͤren meiſtens noch viel aͤrger als die Braut von der Seekrankheit befallen geweſen, ſo daß die Barbaren ſelbſt Mitleiden und Barmherzig- keit gegen ſie gehabt haͤtten, ohne ſie weiter noch zu martern. Außerdem habe die Noth in Sicher- heit zu kommen, die Raͤuber zu aͤußerſter Ge- ſchaͤftigkeit angetrieben, und die Menge die Begierden jedes einzelnen im Zaum gehalten; und ſo ſeyen ſie noch gluͤcklich der Schand ent- riſſen worden, und eine koͤnne fuͤr die andre zeugen. Biondello habe denn in der Verzweiflung Fulvien aus Eiferſucht niederſaͤbeln wollen, als ich ſie errettet haͤtte. „Heilloſes Geſchenk der Schoͤnheit, rief ſie aus, in wie viele Drangſale ſtuͤrzeſt du uns! und wenn wir andre damit gluͤck- lich machen, ſo gerathen wir dadurch ſelbſt in das aͤußerſte Elend. Wie die Koͤnige, die alles ver- moͤgen, nur daß unſre Herrſchaft kurze Zeit dauert,
ha-
N 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0207"n="201"/>
rein bis auf einige Kuͤſſe, die ſie dem Verdammten<lb/>
unterdeſſen habe geſtatten muͤſſen. Die andern<lb/>
waͤren meiſtens noch viel aͤrger als die Braut<lb/>
von der Seekrankheit befallen geweſen, ſo daß<lb/>
die Barbaren ſelbſt Mitleiden und Barmherzig-<lb/>
keit gegen ſie gehabt haͤtten, ohne ſie weiter noch<lb/>
zu martern. Außerdem habe die Noth in Sicher-<lb/>
heit zu kommen, die Raͤuber zu aͤußerſter Ge-<lb/>ſchaͤftigkeit angetrieben, und die Menge die<lb/>
Begierden jedes einzelnen im Zaum gehalten;<lb/>
und ſo ſeyen ſie noch gluͤcklich der Schand ent-<lb/>
riſſen worden, und eine koͤnne fuͤr die andre<lb/>
zeugen. Biondello habe denn in der Verzweiflung<lb/>
Fulvien aus Eiferſucht niederſaͤbeln wollen, als<lb/>
ich ſie errettet haͤtte. „Heilloſes Geſchenk der<lb/>
Schoͤnheit, rief ſie aus, in wie viele Drangſale<lb/>ſtuͤrzeſt du uns! und wenn wir andre damit gluͤck-<lb/>
lich machen, ſo gerathen wir dadurch ſelbſt in das<lb/>
aͤußerſte Elend. Wie die Koͤnige, die alles ver-<lb/>
moͤgen, nur daß unſre Herrſchaft kurze Zeit dauert,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">N 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">ha-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[201/0207]
rein bis auf einige Kuͤſſe, die ſie dem Verdammten
unterdeſſen habe geſtatten muͤſſen. Die andern
waͤren meiſtens noch viel aͤrger als die Braut
von der Seekrankheit befallen geweſen, ſo daß
die Barbaren ſelbſt Mitleiden und Barmherzig-
keit gegen ſie gehabt haͤtten, ohne ſie weiter noch
zu martern. Außerdem habe die Noth in Sicher-
heit zu kommen, die Raͤuber zu aͤußerſter Ge-
ſchaͤftigkeit angetrieben, und die Menge die
Begierden jedes einzelnen im Zaum gehalten;
und ſo ſeyen ſie noch gluͤcklich der Schand ent-
riſſen worden, und eine koͤnne fuͤr die andre
zeugen. Biondello habe denn in der Verzweiflung
Fulvien aus Eiferſucht niederſaͤbeln wollen, als
ich ſie errettet haͤtte. „Heilloſes Geſchenk der
Schoͤnheit, rief ſie aus, in wie viele Drangſale
ſtuͤrzeſt du uns! und wenn wir andre damit gluͤck-
lich machen, ſo gerathen wir dadurch ſelbſt in das
aͤußerſte Elend. Wie die Koͤnige, die alles ver-
moͤgen, nur daß unſre Herrſchaft kurze Zeit dauert,
ha-
N 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/207>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.