Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

und Weh erkaufen! Alles in der Natur ist
glücklich, nur der Mensch nicht; das, was wir
Vernunft nennen, steht ihm immer als ein ty-
rannischer Zuchtmeister zur Seite; und diejeni-
gen, welche man ihrer Vollkommenheit wegen be-
wundert, sind die armseligsten unter allen.

Als ich mich einst an einem Abend tiefer
mit ihr im Gespräch hierüber verlor, und ihr
dieses einleuchten machen, und sie, wie mich
dünkt, auf ihren rechten Lebenspfad führen woll-
te: sah ich auf einmal Fulvien neben uns, die
ich im Eifer nicht bemerkt hatte; wir sonderten uns
vorher von der Gesellschaft ab, und standen an
einem Fenster im Saal mit der Aussicht übers
Meer hin. Der Ernst kehrte sich dann in Kurz-
weil; Fulvia foppte mich als einen blöden Schä-
fer, und in Rücksicht auf sie war der Spott nicht
ungerecht: und Lucinden sagte sie einige unanstän-
dige Dinge, welche deßwegen erröthend ausschied.

Fol-
O

und Weh erkaufen! Alles in der Natur iſt
gluͤcklich, nur der Menſch nicht; das, was wir
Vernunft nennen, ſteht ihm immer als ein ty-
ranniſcher Zuchtmeiſter zur Seite; und diejeni-
gen, welche man ihrer Vollkommenheit wegen be-
wundert, ſind die armſeligſten unter allen.

Als ich mich einſt an einem Abend tiefer
mit ihr im Geſpraͤch hieruͤber verlor, und ihr
dieſes einleuchten machen, und ſie, wie mich
duͤnkt, auf ihren rechten Lebenspfad fuͤhren woll-
te: ſah ich auf einmal Fulvien neben uns, die
ich im Eifer nicht bemerkt hatte; wir ſonderten uns
vorher von der Geſellſchaft ab, und ſtanden an
einem Fenſter im Saal mit der Ausſicht uͤbers
Meer hin. Der Ernſt kehrte ſich dann in Kurz-
weil; Fulvia foppte mich als einen bloͤden Schaͤ-
fer, und in Ruͤckſicht auf ſie war der Spott nicht
ungerecht: und Lucinden ſagte ſie einige unanſtaͤn-
dige Dinge, welche deßwegen erroͤthend ausſchied.

Fol-
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0215" n="209"/>
und Weh erkaufen! Alles in der Natur i&#x017F;t<lb/>
glu&#x0364;cklich, nur der Men&#x017F;ch nicht; das, was wir<lb/>
Vernunft nennen, &#x017F;teht ihm immer als ein ty-<lb/>
ranni&#x017F;cher Zuchtmei&#x017F;ter zur Seite; und diejeni-<lb/>
gen, welche man ihrer Vollkommenheit wegen be-<lb/>
wundert, &#x017F;ind die arm&#x017F;elig&#x017F;ten unter allen.</p><lb/>
        <p>Als ich mich ein&#x017F;t an einem Abend tiefer<lb/>
mit ihr im Ge&#x017F;pra&#x0364;ch hieru&#x0364;ber verlor, und ihr<lb/>
die&#x017F;es einleuchten machen, und &#x017F;ie, wie mich<lb/>
du&#x0364;nkt, auf ihren rechten Lebenspfad fu&#x0364;hren woll-<lb/>
te: &#x017F;ah ich auf einmal Fulvien neben uns, die<lb/>
ich im Eifer nicht bemerkt hatte; wir &#x017F;onderten uns<lb/>
vorher von der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ab, und &#x017F;tanden an<lb/>
einem Fen&#x017F;ter im Saal mit der Aus&#x017F;icht u&#x0364;bers<lb/>
Meer hin. Der Ern&#x017F;t kehrte &#x017F;ich dann in Kurz-<lb/>
weil; Fulvia foppte mich als einen blo&#x0364;den Scha&#x0364;-<lb/>
fer, und in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf &#x017F;ie war der Spott nicht<lb/>
ungerecht: und Lucinden &#x017F;agte &#x017F;ie einige unan&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dige Dinge, welche deßwegen erro&#x0364;thend aus&#x017F;chied.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">O</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Fol-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0215] und Weh erkaufen! Alles in der Natur iſt gluͤcklich, nur der Menſch nicht; das, was wir Vernunft nennen, ſteht ihm immer als ein ty- ranniſcher Zuchtmeiſter zur Seite; und diejeni- gen, welche man ihrer Vollkommenheit wegen be- wundert, ſind die armſeligſten unter allen. Als ich mich einſt an einem Abend tiefer mit ihr im Geſpraͤch hieruͤber verlor, und ihr dieſes einleuchten machen, und ſie, wie mich duͤnkt, auf ihren rechten Lebenspfad fuͤhren woll- te: ſah ich auf einmal Fulvien neben uns, die ich im Eifer nicht bemerkt hatte; wir ſonderten uns vorher von der Geſellſchaft ab, und ſtanden an einem Fenſter im Saal mit der Ausſicht uͤbers Meer hin. Der Ernſt kehrte ſich dann in Kurz- weil; Fulvia foppte mich als einen bloͤden Schaͤ- fer, und in Ruͤckſicht auf ſie war der Spott nicht ungerecht: und Lucinden ſagte ſie einige unanſtaͤn- dige Dinge, welche deßwegen erroͤthend ausſchied. Fol- O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/215
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/215>, abgerufen am 21.11.2024.