wie Perlen hervorkamen, die ich noch nie ver- nommen hatte: nur befremdete mich äußerst des- sen Inhalt. Es war der Seelenjubel einer Jung- frau, die ihren Geliebten wieder findet, frey von Noht und Drangsaal, worin er lang geschmachtet hat, und ihn mit tausend Küssen, Liebkosungen und Zärtlichkeiten empfängt. Doch vielleicht, dacht ich, ist es etwas auswendig gelerntes, und es fällt ihr eben so ein; aber es machte mir hef- tige Unruhe, als sie beym Schluß in die Hände klatschte, und ausrief: "o hätt ich dich schon, mein Florio! aber wie weit bist du noch ent- fernt! doch Flügel wieder meiner Hofnung, daß du noch lebst. O du heilige Magdalena bescheere mir den holden, die du auf deinem Felsen zu Marseille schon oft über ihn gewaltet hast, und den Verwegnen aus den Fluhten des Meers und tödtlichen Gefahren nach meinen Bitten errettet! O du liebe heilige Magdalena, ich falle hier vor dir nieder, und fleh dich an, überlaß, o Freun-
din
wie Perlen hervorkamen, die ich noch nie ver- nommen hatte: nur befremdete mich aͤußerſt deſ- ſen Inhalt. Es war der Seelenjubel einer Jung- frau, die ihren Geliebten wieder findet, frey von Noht und Drangſaal, worin er lang geſchmachtet hat, und ihn mit tauſend Kuͤſſen, Liebkoſungen und Zaͤrtlichkeiten empfaͤngt. Doch vielleicht, dacht ich, iſt es etwas auswendig gelerntes, und es faͤllt ihr eben ſo ein; aber es machte mir hef- tige Unruhe, als ſie beym Schluß in die Haͤnde klatſchte, und ausrief: „o haͤtt ich dich ſchon, mein Florio! aber wie weit biſt du noch ent- fernt! doch Fluͤgel wieder meiner Hofnung, daß du noch lebſt. O du heilige Magdalena beſcheere mir den holden, die du auf deinem Felſen zu Marſeille ſchon oft uͤber ihn gewaltet haſt, und den Verwegnen aus den Fluhten des Meers und toͤdtlichen Gefahren nach meinen Bitten errettet! O du liebe heilige Magdalena, ich falle hier vor dir nieder, und fleh dich an, uͤberlaß, o Freun-
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wie Perlen hervorkamen, die ich noch nie ver-
nommen hatte: nur befremdete mich aͤußerſt deſ-
ſen Inhalt. Es war der Seelenjubel einer Jung-
frau, die ihren Geliebten wieder findet, frey von
Noht und Drangſaal, worin er lang geſchmachtet
hat, und ihn mit tauſend Kuͤſſen, Liebkoſungen
und Zaͤrtlichkeiten empfaͤngt. Doch vielleicht,
dacht ich, iſt es etwas auswendig gelerntes, und
es faͤllt ihr eben ſo ein; aber es machte mir hef-
tige Unruhe, als ſie beym Schluß in die Haͤnde
klatſchte, und ausrief: „o haͤtt ich dich ſchon,
mein Florio! aber wie weit biſt du noch ent-
fernt! doch Fluͤgel wieder meiner Hofnung, daß
du noch lebſt. O du heilige Magdalena beſcheere
mir den holden, die du auf deinem Felſen zu
Marſeille ſchon oft uͤber ihn gewaltet haſt, und
den Verwegnen aus den Fluhten des Meers und
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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