Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

"Und solche unerträglich-leere Gesichter und
Gestalten nennen die armseeligen Schelme, die
weiter nichts als ihr Handwerk nach Gipsen er-
lernt haben und treiben, wahre hohe Kunst; und
wollen mit Verachtung auf die Kernmenschen
herunter schauen, die die Schönheiten, welche
in ihrem Jahrhundert aufblühten, mit leben-
digen Herzen in sich erbeutet haben."

"Dies ist der wahre Weg, beschloß der Rö-
mer. Inzwischen kan man über nichts urthei-
len, wovon man kein Ideal hat; und dieß ent-
wirft der Verstand mit der Wahl aus Vielem."

Hier trennte sich die Gesellschaft; Paul
ging weg, und nahm den Jüngling in Arm.
Ich folgte nach. Sie zogen den Platz ein paar-
mal herum, und hörten da und dort der Musik
und den Scherzen lustiger Truppen zu. Beym
Eingang in die Merceria verließ ihn endlich
Paul; ich nahm meine Maske ab, und machte
mich an ihn.

Er
B

„Und ſolche unertraͤglich-leere Geſichter und
Geſtalten nennen die armſeeligen Schelme, die
weiter nichts als ihr Handwerk nach Gipſen er-
lernt haben und treiben, wahre hohe Kunſt; und
wollen mit Verachtung auf die Kernmenſchen
herunter ſchauen, die die Schoͤnheiten, welche
in ihrem Jahrhundert aufbluͤhten, mit leben-
digen Herzen in ſich erbeutet haben.“

„Dies iſt der wahre Weg, beſchloß der Roͤ-
mer. Inzwiſchen kan man uͤber nichts urthei-
len, wovon man kein Ideal hat; und dieß ent-
wirft der Verſtand mit der Wahl aus Vielem.“

Hier trennte ſich die Geſellſchaft; Paul
ging weg, und nahm den Juͤngling in Arm.
Ich folgte nach. Sie zogen den Platz ein paar-
mal herum, und hoͤrten da und dort der Muſik
und den Scherzen luſtiger Truppen zu. Beym
Eingang in die Merceria verließ ihn endlich
Paul; ich nahm meine Maske ab, und machte
mich an ihn.

Er
B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0023" n="17"/>
        <p>&#x201E;Und &#x017F;olche unertra&#x0364;glich-leere Ge&#x017F;ichter und<lb/>
Ge&#x017F;talten nennen die arm&#x017F;eeligen Schelme, die<lb/>
weiter nichts als ihr Handwerk nach Gip&#x017F;en er-<lb/>
lernt haben und treiben, wahre hohe Kun&#x017F;t; und<lb/>
wollen mit Verachtung auf die Kernmen&#x017F;chen<lb/>
herunter &#x017F;chauen, die die Scho&#x0364;nheiten, welche<lb/>
in ihrem Jahrhundert aufblu&#x0364;hten, mit leben-<lb/>
digen Herzen in &#x017F;ich erbeutet haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dies i&#x017F;t der wahre Weg, be&#x017F;chloß der Ro&#x0364;-<lb/>
mer. Inzwi&#x017F;chen kan man u&#x0364;ber nichts urthei-<lb/>
len, wovon man kein Ideal hat; und dieß ent-<lb/>
wirft der Ver&#x017F;tand mit der Wahl aus Vielem.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Hier trennte &#x017F;ich die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft; Paul<lb/>
ging weg, und nahm den Ju&#x0364;ngling in Arm.<lb/>
Ich folgte nach. Sie zogen den Platz ein paar-<lb/>
mal herum, und ho&#x0364;rten da und dort der Mu&#x017F;ik<lb/>
und den Scherzen lu&#x017F;tiger Truppen zu. Beym<lb/>
Eingang in die Merceria verließ ihn endlich<lb/>
Paul; ich nahm meine Maske ab, und machte<lb/>
mich an ihn.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">B</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0023] „Und ſolche unertraͤglich-leere Geſichter und Geſtalten nennen die armſeeligen Schelme, die weiter nichts als ihr Handwerk nach Gipſen er- lernt haben und treiben, wahre hohe Kunſt; und wollen mit Verachtung auf die Kernmenſchen herunter ſchauen, die die Schoͤnheiten, welche in ihrem Jahrhundert aufbluͤhten, mit leben- digen Herzen in ſich erbeutet haben.“ „Dies iſt der wahre Weg, beſchloß der Roͤ- mer. Inzwiſchen kan man uͤber nichts urthei- len, wovon man kein Ideal hat; und dieß ent- wirft der Verſtand mit der Wahl aus Vielem.“ Hier trennte ſich die Geſellſchaft; Paul ging weg, und nahm den Juͤngling in Arm. Ich folgte nach. Sie zogen den Platz ein paar- mal herum, und hoͤrten da und dort der Muſik und den Scherzen luſtiger Truppen zu. Beym Eingang in die Merceria verließ ihn endlich Paul; ich nahm meine Maske ab, und machte mich an ihn. Er B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/23
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/23>, abgerufen am 02.05.2024.