Darauf ging es an das Katullische da mihi basia mille, wovon ich mich bald los machte. In solche neckende Handel gerahten wir Liebes- ritter! aber ich stelle mich auch auf keinen philo- sophischen Lehrstul, wo man zu seyn befiehlt, was der Mensch nie war.
Den andern Morgen sucht ich den Ga- briotto auf, und traf ihn endlich gegen Mittag in einem Weinhause, nachdem ich ihn im Hafen nicht gefunden hatte. Es ist ein herrlicher Alter, in seinem Leben von mancherley Schicksalen durch- gearbeitet. Dreymal war er in Sklaverey, in Aegypten, Mauritanien, und Griechenland; und sah Mecca und das heilige Grab, zog mit seinen Patronen über den Kaukasus und Atlas, und kam jedesmal wunderbar wieder los; führ- te nun ein Kauffahrthey Schiff, und ließ sichs wohl seyn in seinen letzten Tagen. Was ist ei- nes Königs Leben, der seine Zeit durchgähnt, gegen die Wanderungen und Gefühle eines solchen Er-
den-
Darauf ging es an das Katulliſche da mihi baſia mille, wovon ich mich bald los machte. In ſolche neckende Handel gerahten wir Liebes- ritter! aber ich ſtelle mich auch auf keinen philo- ſophiſchen Lehrſtul, wo man zu ſeyn befiehlt, was der Menſch nie war.
Den andern Morgen ſucht ich den Ga- briotto auf, und traf ihn endlich gegen Mittag in einem Weinhauſe, nachdem ich ihn im Hafen nicht gefunden hatte. Es iſt ein herrlicher Alter, in ſeinem Leben von mancherley Schickſalen durch- gearbeitet. Dreymal war er in Sklaverey, in Aegypten, Mauritanien, und Griechenland; und ſah Mecca und das heilige Grab, zog mit ſeinen Patronen uͤber den Kaukaſus und Atlas, und kam jedesmal wunderbar wieder los; fuͤhr- te nun ein Kauffahrthey Schiff, und ließ ſichs wohl ſeyn in ſeinen letzten Tagen. Was iſt ei- nes Koͤnigs Leben, der ſeine Zeit durchgaͤhnt, gegen die Wanderungen und Gefuͤhle eines ſolchen Er-
den-
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Darauf ging es an das Katulliſche da mihi
baſia mille, wovon ich mich bald los machte.
In ſolche neckende Handel gerahten wir Liebes-
ritter! aber ich ſtelle mich auch auf keinen philo-
ſophiſchen Lehrſtul, wo man zu ſeyn befiehlt, was
der Menſch nie war.
Den andern Morgen ſucht ich den Ga-
briotto auf, und traf ihn endlich gegen Mittag
in einem Weinhauſe, nachdem ich ihn im Hafen
nicht gefunden hatte. Es iſt ein herrlicher Alter,
in ſeinem Leben von mancherley Schickſalen durch-
gearbeitet. Dreymal war er in Sklaverey, in
Aegypten, Mauritanien, und Griechenland;
und ſah Mecca und das heilige Grab, zog mit
ſeinen Patronen uͤber den Kaukaſus und Atlas,
und kam jedesmal wunderbar wieder los; fuͤhr-
te nun ein Kauffahrthey Schiff, und ließ ſichs
wohl ſeyn in ſeinen letzten Tagen. Was iſt ei-
nes Koͤnigs Leben, der ſeine Zeit durchgaͤhnt, gegen
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/241>, abgerufen am 24.11.2024.
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