"O Lucinde, antwortet ich ihr darauf, du hast viel Wahres gesagt, wir sind ungerecht gegen euch! aber auch unser Loos ist hart. Uns liegt die Arbeit ob, und ihr wirkt still wie die Sonne, und macht schon glücklich, bloß durch eure Schönheit. Wir müssen alles erringen und er- kämpfen; und ihr strahlt nur um euch: so liegt man euch zu Füßen."
"Hohe Schönheit ist freylich äußerst selten; aber auch eine Jungfrau, die sie besitzt und zu gebrauchen weiß, ist, was bey uns Alexander und Cäsar mit Heeren von Helden; es kömmt nur auf sie an, was sie erobern will! das ewige Schicksal hat ihr alle Herzen unterworfen."
"Liebe und Geist ist eins und dasselbe unter verschiednen Namen, nur daß man Ueberfluß von Geist Liebe nennt: hohe Schönheit beherrscht alle Geister. Sie vereinigt sich deßwegen gern mit großer Gewalt, oder großem Verstande, weil da die Liebe am mächtigsten ist. Der Mensch
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„O Lucinde, antwortet ich ihr darauf, du haſt viel Wahres geſagt, wir ſind ungerecht gegen euch! aber auch unſer Loos iſt hart. Uns liegt die Arbeit ob, und ihr wirkt ſtill wie die Sonne, und macht ſchon gluͤcklich, bloß durch eure Schoͤnheit. Wir muͤſſen alles erringen und er- kaͤmpfen; und ihr ſtrahlt nur um euch: ſo liegt man euch zu Fuͤßen.“
„Hohe Schoͤnheit iſt freylich aͤußerſt ſelten; aber auch eine Jungfrau, die ſie beſitzt und zu gebrauchen weiß, iſt, was bey uns Alexander und Caͤſar mit Heeren von Helden; es koͤmmt nur auf ſie an, was ſie erobern will! das ewige Schickſal hat ihr alle Herzen unterworfen.“
„Liebe und Geiſt iſt eins und daſſelbe unter verſchiednen Namen, nur daß man Ueberfluß von Geiſt Liebe nennt: hohe Schoͤnheit beherrſcht alle Geiſter. Sie vereinigt ſich deßwegen gern mit großer Gewalt, oder großem Verſtande, weil da die Liebe am maͤchtigſten iſt. Der Menſch
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„O Lucinde, antwortet ich ihr darauf, du
haſt viel Wahres geſagt, wir ſind ungerecht
gegen euch! aber auch unſer Loos iſt hart. Uns
liegt die Arbeit ob, und ihr wirkt ſtill wie die
Sonne, und macht ſchon gluͤcklich, bloß durch eure
Schoͤnheit. Wir muͤſſen alles erringen und er-
kaͤmpfen; und ihr ſtrahlt nur um euch: ſo liegt
man euch zu Fuͤßen.“
„Hohe Schoͤnheit iſt freylich aͤußerſt ſelten;
aber auch eine Jungfrau, die ſie beſitzt und zu
gebrauchen weiß, iſt, was bey uns Alexander und
Caͤſar mit Heeren von Helden; es koͤmmt nur
auf ſie an, was ſie erobern will! das ewige
Schickſal hat ihr alle Herzen unterworfen.“
„Liebe und Geiſt iſt eins und daſſelbe unter
verſchiednen Namen, nur daß man Ueberfluß
von Geiſt Liebe nennt: hohe Schoͤnheit beherrſcht
alle Geiſter. Sie vereinigt ſich deßwegen gern
mit großer Gewalt, oder großem Verſtande,
weil da die Liebe am maͤchtigſten iſt. Der Menſch
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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