was wird noch aus mir werden!" ohne mir mehr zuzugestehen.
Fulvia kam bald darauf, als ich noch an einen Baum gelehnt stand, und mit den Armen die Augen zuhielt, um nichts irrdisches zu be- trachten. Die Schlaue merkt alles, und erkennt die Momente, wie ein edles Raubthier.
So schiff ich denn zwischen einer Scylla und Charybdis im Wonnemeere der Liebe; und lasse mich von ihren Strudeln herumwälzen in Ge- fahren, damit mein Muht nicht müssig liege. Doch erschreck ich zuweilen vor Lucinden; sie hat in manchen Punkten nicht die Biegsamkeit ihres Geschlechts, und in ihrer Gestalt entdeck ich Züge von fürchterlicher Heftigkeit; und eben diese sind es, was mich so gewaltsam ergreift, und an sie fesselt. Ich fühle durch und durch, was das himmlische Geschöpf verlangt, und dieß foltert mich, da es unmöglich geschehen kann: und doch ist der En- gel zu schön für die Welt, die ihn mit ihren Sit-
ten
was wird noch aus mir werden!“ ohne mir mehr zuzugeſtehen.
Fulvia kam bald darauf, als ich noch an einen Baum gelehnt ſtand, und mit den Armen die Augen zuhielt, um nichts irrdiſches zu be- trachten. Die Schlaue merkt alles, und erkennt die Momente, wie ein edles Raubthier.
So ſchiff ich denn zwiſchen einer Scylla und Charybdis im Wonnemeere der Liebe; und laſſe mich von ihren Strudeln herumwaͤlzen in Ge- fahren, damit mein Muht nicht muͤſſig liege. Doch erſchreck ich zuweilen vor Lucinden; ſie hat in manchen Punkten nicht die Biegſamkeit ihres Geſchlechts, und in ihrer Geſtalt entdeck ich Zuͤge von fuͤrchterlicher Heftigkeit; und eben dieſe ſind es, was mich ſo gewaltſam ergreift, und an ſie feſſelt. Ich fuͤhle durch und durch, was das himmliſche Geſchoͤpf verlangt, und dieß foltert mich, da es unmoͤglich geſchehen kann: und doch iſt der En- gel zu ſchoͤn fuͤr die Welt, die ihn mit ihren Sit-
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[255/0261]
was wird noch aus mir werden!“ ohne mir mehr
zuzugeſtehen.
Fulvia kam bald darauf, als ich noch an
einen Baum gelehnt ſtand, und mit den Armen
die Augen zuhielt, um nichts irrdiſches zu be-
trachten. Die Schlaue merkt alles, und erkennt
die Momente, wie ein edles Raubthier.
So ſchiff ich denn zwiſchen einer Scylla und
Charybdis im Wonnemeere der Liebe; und laſſe
mich von ihren Strudeln herumwaͤlzen in Ge-
fahren, damit mein Muht nicht muͤſſig liege. Doch
erſchreck ich zuweilen vor Lucinden; ſie hat in
manchen Punkten nicht die Biegſamkeit ihres
Geſchlechts, und in ihrer Geſtalt entdeck ich Zuͤge
von fuͤrchterlicher Heftigkeit; und eben dieſe ſind es,
was mich ſo gewaltſam ergreift, und an ſie feſſelt.
Ich fuͤhle durch und durch, was das himmliſche
Geſchoͤpf verlangt, und dieß foltert mich, da es
unmoͤglich geſchehen kann: und doch iſt der En-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/261>, abgerufen am 22.11.2024.
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