Kräfte und sein Intresse kennt, und sich in einen Punkt vereinigen kann; und selten ist einer, der an der Spitze steht, aus Liebe oder Gewalt, im Stande, eine andre Verfassung in eine solche umzuändern, geschweig ein Philosoph auf seinem Studierzimmer. Die ursprüngliche Ungleichheit der Menschen und die daraus entspringende äußer- liche Ungleichheit der Besitzungen und der Gewalt und des Ansehens machen noch überdieß den gordi- schen Knoten der durch keine Vernunft an und für sich, ohne Rücksicht auf die jedesmalige Verfassung, aufzulösen ist. Nur ein Dichter kann auf einmal Tausende und Millionen von Menschen wie über- ein gedrechselte Maschinen in einen Raum, wo kein Grad der Breite von Europa, Afrika, Asien, und Amerika ist, hinstellen und in beliebige Ord- nung bringen.
Was für Mühe kostete es nicht dem Römi- schen Volke, das in dieser ersten Kunst über alle Nazionen hervorragt, ehe es sich von der Gewalt
der
Kraͤfte und ſein Intreſſe kennt, und ſich in einen Punkt vereinigen kann; und ſelten iſt einer, der an der Spitze ſteht, aus Liebe oder Gewalt, im Stande, eine andre Verfaſſung in eine ſolche umzuaͤndern, geſchweig ein Philoſoph auf ſeinem Studierzimmer. Die urſpruͤngliche Ungleichheit der Menſchen und die daraus entſpringende aͤußer- liche Ungleichheit der Beſitzungen und der Gewalt und des Anſehens machen noch uͤberdieß den gordi- ſchen Knoten der durch keine Vernunft an und fuͤr ſich, ohne Ruͤckſicht auf die jedesmalige Verfaſſung, aufzuloͤſen iſt. Nur ein Dichter kann auf einmal Tauſende und Millionen von Menſchen wie uͤber- ein gedrechſelte Maſchinen in einen Raum, wo kein Grad der Breite von Europa, Afrika, Aſien, und Amerika iſt, hinſtellen und in beliebige Ord- nung bringen.
Was fuͤr Muͤhe koſtete es nicht dem Roͤmi- ſchen Volke, das in dieſer erſten Kunſt uͤber alle Nazionen hervorragt, ehe es ſich von der Gewalt
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Kraͤfte und ſein Intreſſe kennt, und ſich in einen
Punkt vereinigen kann; und ſelten iſt einer,
der an der Spitze ſteht, aus Liebe oder Gewalt,
im Stande, eine andre Verfaſſung in eine ſolche
umzuaͤndern, geſchweig ein Philoſoph auf ſeinem
Studierzimmer. Die urſpruͤngliche Ungleichheit
der Menſchen und die daraus entſpringende aͤußer-
liche Ungleichheit der Beſitzungen und der Gewalt
und des Anſehens machen noch uͤberdieß den gordi-
ſchen Knoten der durch keine Vernunft an und fuͤr
ſich, ohne Ruͤckſicht auf die jedesmalige Verfaſſung,
aufzuloͤſen iſt. Nur ein Dichter kann auf einmal
Tauſende und Millionen von Menſchen wie uͤber-
ein gedrechſelte Maſchinen in einen Raum, wo
kein Grad der Breite von Europa, Afrika, Aſien,
und Amerika iſt, hinſtellen und in beliebige Ord-
nung bringen.
Was fuͤr Muͤhe koſtete es nicht dem Roͤmi-
ſchen Volke, das in dieſer erſten Kunſt uͤber alle
Nazionen hervorragt, ehe es ſich von der Gewalt
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/306>, abgerufen am 22.11.2024.
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