alle unsre Moral ist gemacht, und steht nur in Büchern: lehrt es nicht alle Geschichte?
Dasselbe thut man um Herrschaft zu erlan- gen, und düngt die Felder mit Bürgerblute; du kennst die Verse des Euripides, die Cäsar im Munde führte.
Sie haben allerley Blendwerk von Beschö- nigung ausersonnen, worunter das täuschendste ist, dem Staate Ruh und Ordnung zu verschaf- fen, und behende Stärke zu geben; und sie stellen sich an, als ob sie nur dessen erste Diener wären, und große Lasten auf sich trügen. Wie ist aber einer Bedienter, dem Niemand befiehlt, der kei- nen Herrn über sich erkennt! Wie ist einer Be- dienter, der nach Gutbefinden Gesetze macht und giebt, und keins annimt? nach Willkühr ohne Gesetze straft? Gesetzt auch, Ruh und Ordnung; ist dieß Glückseeligkeit? im Kerker ist auch Ruh und Ordnung.
Be-
alle unſre Moral iſt gemacht, und ſteht nur in Buͤchern: lehrt es nicht alle Geſchichte?
Daſſelbe thut man um Herrſchaft zu erlan- gen, und duͤngt die Felder mit Buͤrgerblute; du kennſt die Verſe des Euripides, die Caͤſar im Munde fuͤhrte.
Sie haben allerley Blendwerk von Beſchoͤ- nigung auserſonnen, worunter das taͤuſchendſte iſt, dem Staate Ruh und Ordnung zu verſchaf- fen, und behende Staͤrke zu geben; und ſie ſtellen ſich an, als ob ſie nur deſſen erſte Diener waͤren, und große Laſten auf ſich truͤgen. Wie iſt aber einer Bedienter, dem Niemand befiehlt, der kei- nen Herrn uͤber ſich erkennt! Wie iſt einer Be- dienter, der nach Gutbefinden Geſetze macht und giebt, und keins annimt? nach Willkuͤhr ohne Geſetze ſtraft? Geſetzt auch, Ruh und Ordnung; iſt dieß Gluͤckſeeligkeit? im Kerker iſt auch Ruh und Ordnung.
Be-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0308"n="302"/>
alle unſre Moral iſt gemacht, und ſteht nur in<lb/>
Buͤchern: lehrt es nicht alle Geſchichte?</p><lb/><p>Daſſelbe thut man um Herrſchaft zu erlan-<lb/>
gen, und duͤngt die Felder mit Buͤrgerblute;<lb/>
du kennſt die Verſe des Euripides, die Caͤſar im<lb/>
Munde fuͤhrte.</p><lb/><p>Sie haben allerley Blendwerk von Beſchoͤ-<lb/>
nigung auserſonnen, worunter das taͤuſchendſte<lb/>
iſt, dem Staate Ruh und Ordnung zu verſchaf-<lb/>
fen, und behende Staͤrke zu geben; und ſie ſtellen<lb/>ſich an, als ob ſie nur deſſen erſte Diener waͤren,<lb/>
und große Laſten auf ſich truͤgen. Wie iſt aber<lb/>
einer Bedienter, dem Niemand befiehlt, der kei-<lb/>
nen Herrn uͤber ſich erkennt! Wie iſt einer Be-<lb/>
dienter, der nach Gutbefinden Geſetze macht und<lb/>
giebt, und keins annimt? nach Willkuͤhr ohne<lb/>
Geſetze ſtraft? Geſetzt auch, Ruh und Ordnung;<lb/>
iſt dieß Gluͤckſeeligkeit? im Kerker iſt auch Ruh<lb/>
und Ordnung.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Be-</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[302/0308]
alle unſre Moral iſt gemacht, und ſteht nur in
Buͤchern: lehrt es nicht alle Geſchichte?
Daſſelbe thut man um Herrſchaft zu erlan-
gen, und duͤngt die Felder mit Buͤrgerblute;
du kennſt die Verſe des Euripides, die Caͤſar im
Munde fuͤhrte.
Sie haben allerley Blendwerk von Beſchoͤ-
nigung auserſonnen, worunter das taͤuſchendſte
iſt, dem Staate Ruh und Ordnung zu verſchaf-
fen, und behende Staͤrke zu geben; und ſie ſtellen
ſich an, als ob ſie nur deſſen erſte Diener waͤren,
und große Laſten auf ſich truͤgen. Wie iſt aber
einer Bedienter, dem Niemand befiehlt, der kei-
nen Herrn uͤber ſich erkennt! Wie iſt einer Be-
dienter, der nach Gutbefinden Geſetze macht und
giebt, und keins annimt? nach Willkuͤhr ohne
Geſetze ſtraft? Geſetzt auch, Ruh und Ordnung;
iſt dieß Gluͤckſeeligkeit? im Kerker iſt auch Ruh
und Ordnung.
Be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/308>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.