Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

wie nimst du das mir übel? willst du über nichts
herrschen? ist nicht jeder Mensch ein Sultan,
wenn er kann, nicht jeder Stier und Hirsch? die
Verständigen werden freylich nie gehorchen, wenn
sie nicht müssen. Gehorchet nicht, wenn ihr
könnt, so lange bis ihr alle Herren seyd! und euer
Staat ist die Vereinigung des reinsten Ganzen,
eine Sonne, wo jeder Theil Licht hat und flammt
und brennt, und einer den andern verstärkt und
entzückt, und alle insgesammt dann fremde träge
Erdenkörper zum Leben erwecken, wie jetzt allein
Ich."

Es lies sich vielleicht hierauf auch immer
antworten: "daß der Löwe minder starke Thiere
zerreißt, und ihr Blut aussaugt, ist nun freylich
einmal so in der Natur, und erhält ihn und
macht ihn glücklich. Daß du Sultan aber über
Millionen herschest, ist Stelzenwerk, und macht
dich im Grunde unglücklich; denn du lebst nur
im Traum und Nebel, ohne eigentlichen Genuß.

Der

wie nimſt du das mir uͤbel? willſt du uͤber nichts
herrſchen? iſt nicht jeder Menſch ein Sultan,
wenn er kann, nicht jeder Stier und Hirſch? die
Verſtaͤndigen werden freylich nie gehorchen, wenn
ſie nicht muͤſſen. Gehorchet nicht, wenn ihr
koͤnnt, ſo lange bis ihr alle Herren ſeyd! und euer
Staat iſt die Vereinigung des reinſten Ganzen,
eine Sonne, wo jeder Theil Licht hat und flammt
und brennt, und einer den andern verſtaͤrkt und
entzuͤckt, und alle insgeſammt dann fremde traͤge
Erdenkoͤrper zum Leben erwecken, wie jetzt allein
Ich.“

Es lies ſich vielleicht hierauf auch immer
antworten: „daß der Loͤwe minder ſtarke Thiere
zerreißt, und ihr Blut ausſaugt, iſt nun freylich
einmal ſo in der Natur, und erhaͤlt ihn und
macht ihn gluͤcklich. Daß du Sultan aber uͤber
Millionen herſcheſt, iſt Stelzenwerk, und macht
dich im Grunde ungluͤcklich; denn du lebſt nur
im Traum und Nebel, ohne eigentlichen Genuß.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0310" n="304"/>
wie nim&#x017F;t du das mir u&#x0364;bel? will&#x017F;t du u&#x0364;ber nichts<lb/>
herr&#x017F;chen? i&#x017F;t nicht jeder Men&#x017F;ch ein Sultan,<lb/>
wenn er kann, nicht jeder Stier und Hir&#x017F;ch? die<lb/>
Ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen werden freylich nie gehorchen, wenn<lb/>
&#x017F;ie nicht mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Gehorchet nicht, wenn ihr<lb/>
ko&#x0364;nnt, &#x017F;o lange bis ihr alle Herren &#x017F;eyd! und euer<lb/>
Staat i&#x017F;t die Vereinigung des rein&#x017F;ten Ganzen,<lb/>
eine Sonne, wo jeder Theil Licht hat und flammt<lb/>
und brennt, und einer den andern ver&#x017F;ta&#x0364;rkt und<lb/>
entzu&#x0364;ckt, und alle insge&#x017F;ammt dann fremde tra&#x0364;ge<lb/>
Erdenko&#x0364;rper zum Leben erwecken, wie jetzt allein<lb/>
Ich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es lies &#x017F;ich vielleicht hierauf auch immer<lb/>
antworten: &#x201E;daß der Lo&#x0364;we minder &#x017F;tarke Thiere<lb/>
zerreißt, und ihr Blut aus&#x017F;augt, i&#x017F;t nun freylich<lb/>
einmal &#x017F;o in der Natur, und erha&#x0364;lt ihn und<lb/>
macht ihn glu&#x0364;cklich. Daß du Sultan aber u&#x0364;ber<lb/>
Millionen her&#x017F;che&#x017F;t, i&#x017F;t Stelzenwerk, und macht<lb/>
dich im Grunde unglu&#x0364;cklich; denn du leb&#x017F;t nur<lb/>
im Traum und Nebel, ohne eigentlichen Genuß.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0310] wie nimſt du das mir uͤbel? willſt du uͤber nichts herrſchen? iſt nicht jeder Menſch ein Sultan, wenn er kann, nicht jeder Stier und Hirſch? die Verſtaͤndigen werden freylich nie gehorchen, wenn ſie nicht muͤſſen. Gehorchet nicht, wenn ihr koͤnnt, ſo lange bis ihr alle Herren ſeyd! und euer Staat iſt die Vereinigung des reinſten Ganzen, eine Sonne, wo jeder Theil Licht hat und flammt und brennt, und einer den andern verſtaͤrkt und entzuͤckt, und alle insgeſammt dann fremde traͤge Erdenkoͤrper zum Leben erwecken, wie jetzt allein Ich.“ Es lies ſich vielleicht hierauf auch immer antworten: „daß der Loͤwe minder ſtarke Thiere zerreißt, und ihr Blut ausſaugt, iſt nun freylich einmal ſo in der Natur, und erhaͤlt ihn und macht ihn gluͤcklich. Daß du Sultan aber uͤber Millionen herſcheſt, iſt Stelzenwerk, und macht dich im Grunde ungluͤcklich; denn du lebſt nur im Traum und Nebel, ohne eigentlichen Genuß. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/310
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/310>, abgerufen am 22.11.2024.