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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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ressanteste Moment aus einer Begebenheit gewählt
ist, und man das Vorhergehende und Nachfolgende
am besten erkennen kann, bleibt also immer an
und für sich schon ein quälendes Fragment, das
weder Herz noch Geist befriedigt."

"Um hierüber nicht zu streiten, so bleibt
ausgemacht: das Vortreflichste derselben ist das
schöne Nackende; mit dem Ausdruck gehts her-
nach wie bey der Musik: er ist die Blüthe der
Vollkommenheit, aber nicht eigentlich die
Vollkommenheit selbst. Jeder Sinn hat sein
eignes Element, worin der Ausdruck nur
schwimmt. Die Poesie arbeitet zwar für alle;
aber doch ist auch die Sprache und Harmonie
derselben für das Ohr ihr Grundstoff. Die schlech-
ten Künstler meinen, sie hätten genug gethan,
wenn sie nur eine rührende interessante Ge-
schichte mit ihren Wechselbälgen ausstaffieren,
und ein schmachtend Auge hineinbringen: ihr Tho-
ren! eine einzige vortrefliche griechische Statue
ohne Kopf und allen Ausdruck von Leidenschaft

geht

reſſanteſte Moment aus einer Begebenheit gewaͤhlt
iſt, und man das Vorhergehende und Nachfolgende
am beſten erkennen kann, bleibt alſo immer an
und fuͤr ſich ſchon ein quaͤlendes Fragment, das
weder Herz noch Geiſt befriedigt.“

„Um hieruͤber nicht zu ſtreiten, ſo bleibt
ausgemacht: das Vortreflichſte derſelben iſt das
ſchoͤne Nackende; mit dem Ausdruck gehts her-
nach wie bey der Muſik: er iſt die Bluͤthe der
Vollkommenheit, aber nicht eigentlich die
Vollkommenheit ſelbſt. Jeder Sinn hat ſein
eignes Element, worin der Ausdruck nur
ſchwimmt. Die Poeſie arbeitet zwar fuͤr alle;
aber doch iſt auch die Sprache und Harmonie
derſelben fuͤr das Ohr ihr Grundſtoff. Die ſchlech-
ten Kuͤnſtler meinen, ſie haͤtten genug gethan,
wenn ſie nur eine ruͤhrende intereſſante Ge-
ſchichte mit ihren Wechſelbaͤlgen ausſtaffieren,
und ein ſchmachtend Auge hineinbringen: ihr Tho-
ren! eine einzige vortrefliche griechiſche Statue
ohne Kopf und allen Ausdruck von Leidenſchaft

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[354/0360] reſſanteſte Moment aus einer Begebenheit gewaͤhlt iſt, und man das Vorhergehende und Nachfolgende am beſten erkennen kann, bleibt alſo immer an und fuͤr ſich ſchon ein quaͤlendes Fragment, das weder Herz noch Geiſt befriedigt.“ „Um hieruͤber nicht zu ſtreiten, ſo bleibt ausgemacht: das Vortreflichſte derſelben iſt das ſchoͤne Nackende; mit dem Ausdruck gehts her- nach wie bey der Muſik: er iſt die Bluͤthe der Vollkommenheit, aber nicht eigentlich die Vollkommenheit ſelbſt. Jeder Sinn hat ſein eignes Element, worin der Ausdruck nur ſchwimmt. Die Poeſie arbeitet zwar fuͤr alle; aber doch iſt auch die Sprache und Harmonie derſelben fuͤr das Ohr ihr Grundſtoff. Die ſchlech- ten Kuͤnſtler meinen, ſie haͤtten genug gethan, wenn ſie nur eine ruͤhrende intereſſante Ge- ſchichte mit ihren Wechſelbaͤlgen ausſtaffieren, und ein ſchmachtend Auge hineinbringen: ihr Tho- ren! eine einzige vortrefliche griechiſche Statue ohne Kopf und allen Ausdruck von Leidenſchaft geht

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/360>, abgerufen am 22.11.2024.