Schönheit giebt der Seele das lauterste Gefühl ihres Daseyns. Schönheit ist die freyeste Wohnung der Seele. Schönheit erinnert die Seele an ihre Gottheit, an ihre Schöpfungskraft, und daß sie über alle die Körperwelt, die sie umgiebt, ewig erhaben ist. Im Anfang macht ihr dieß Freude, aber endlich Pein; sie sieht sich gefan- gen, und daß sie nicht mehr ist, was sie war: und die Thränen rinnen über ihren nichtigen gegenwär- tigen Zustand. Doch stärkt sie wieder ihre ewige Na- tur, und die süße himmlische Hofnung regt ihre Fitti- ge, daß sie doch bald aus dieser Dunkelheit, aus diesem Wahne von Irrgestalten sich erheben werde in das Licht zu den Schaaren der seeligen Geister, wo we- der Frost noch Hitze abwechseln, und alles ist in seiner mannigfaltigen Wahrheit und ursprüngli- chen Schönheit."
"Nicht gebohren werden, übertrift alle irr- dische Glückseeligkeit; und wenn du da seyn wirst: so ist, je geschwinder, je besser, wieder dahin
zu
Schoͤnheit giebt der Seele das lauterſte Gefuͤhl ihres Daſeyns. Schoͤnheit iſt die freyeſte Wohnung der Seele. Schoͤnheit erinnert die Seele an ihre Gottheit, an ihre Schoͤpfungskraft, und daß ſie uͤber alle die Koͤrperwelt, die ſie umgiebt, ewig erhaben iſt. Im Anfang macht ihr dieß Freude, aber endlich Pein; ſie ſieht ſich gefan- gen, und daß ſie nicht mehr iſt, was ſie war: und die Thraͤnen rinnen uͤber ihren nichtigen gegenwaͤr- tigen Zuſtand. Doch ſtaͤrkt ſie wieder ihre ewige Na- tur, und die ſuͤße himmliſche Hofnung regt ihre Fitti- ge, daß ſie doch bald aus dieſer Dunkelheit, aus dieſem Wahne von Irrgeſtalten ſich erheben werde in das Licht zu den Schaaren der ſeeligen Geiſter, wo we- der Froſt noch Hitze abwechſeln, und alles iſt in ſeiner mannigfaltigen Wahrheit und urſpruͤngli- chen Schoͤnheit.“
„Nicht gebohren werden, uͤbertrift alle irr- diſche Gluͤckſeeligkeit; und wenn du da ſeyn wirſt: ſo iſt, je geſchwinder, je beſſer, wieder dahin
zu
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Schoͤnheit giebt der Seele das lauterſte Gefuͤhl ihres
Daſeyns. Schoͤnheit iſt die freyeſte Wohnung
der Seele. Schoͤnheit erinnert die Seele an
ihre Gottheit, an ihre Schoͤpfungskraft, und
daß ſie uͤber alle die Koͤrperwelt, die ſie umgiebt,
ewig erhaben iſt. Im Anfang macht ihr dieß
Freude, aber endlich Pein; ſie ſieht ſich gefan-
gen, und daß ſie nicht mehr iſt, was ſie war: und
die Thraͤnen rinnen uͤber ihren nichtigen gegenwaͤr-
tigen Zuſtand. Doch ſtaͤrkt ſie wieder ihre ewige Na-
tur, und die ſuͤße himmliſche Hofnung regt ihre Fitti-
ge, daß ſie doch bald aus dieſer Dunkelheit, aus dieſem
Wahne von Irrgeſtalten ſich erheben werde in das
Licht zu den Schaaren der ſeeligen Geiſter, wo we-
der Froſt noch Hitze abwechſeln, und alles iſt in
ſeiner mannigfaltigen Wahrheit und urſpruͤngli-
chen Schoͤnheit.“
„Nicht gebohren werden, uͤbertrift alle irr-
diſche Gluͤckſeeligkeit; und wenn du da ſeyn wirſt:
ſo iſt, je geſchwinder, je beſſer, wieder dahin
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/373>, abgerufen am 22.11.2024.
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