Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

zu kehren, wo du herkömmst. So bald die Ju-
gend sich einstellt mit ihren tollen Streichen,
wer windet sich mit aller Arbeit daraus? wer
steckt nicht in Plagen und Leiden? Morde, Par-
theyen, Streitigkeiten, Gefechte und Neid.
Auf die letzt überschleicht uns das unzufriedene,
schwache, menschenscheue, verhaßte Alter, wo
alle Uebel haufenweiß zusammen wohnen."

"So seufzte selbst der bewunderte Sophokles
am Ende seiner glücklichen und glänzenden Lauf-
bahn."

"Ihr sagt: Schönheit nackender Ge-
stalt sey viel für Auge und den ganzen körperli-
chen Menschen, wenig für den innern? Sie al-
lein ergriff das Unsterbliche nicht?"

"Wenn wahr ist, was ihr selbst behauptet,
daß, wer ein Ganzes täuschend am geschwindesten
in die Seele bringt, den Vorzug erhalte: so
steht wohl bildende Kunst aller andern voran;
die Seele genießt vor ihren Werken, der mühseeligen

Zeit-

zu kehren, wo du herkoͤmmſt. So bald die Ju-
gend ſich einſtellt mit ihren tollen Streichen,
wer windet ſich mit aller Arbeit daraus? wer
ſteckt nicht in Plagen und Leiden? Morde, Par-
theyen, Streitigkeiten, Gefechte und Neid.
Auf die letzt uͤberſchleicht uns das unzufriedene,
ſchwache, menſchenſcheue, verhaßte Alter, wo
alle Uebel haufenweiß zuſammen wohnen.“

„So ſeufzte ſelbſt der bewunderte Sophokles
am Ende ſeiner gluͤcklichen und glaͤnzenden Lauf-
bahn.“

„Ihr ſagt: Schoͤnheit nackender Ge-
ſtalt ſey viel fuͤr Auge und den ganzen koͤrperli-
chen Menſchen, wenig fuͤr den innern? Sie al-
lein ergriff das Unſterbliche nicht?“

„Wenn wahr iſt, was ihr ſelbſt behauptet,
daß, wer ein Ganzes taͤuſchend am geſchwindeſten
in die Seele bringt, den Vorzug erhalte: ſo
ſteht wohl bildende Kunſt aller andern voran;
die Seele genießt vor ihren Werken, der muͤhſeeligen

Zeit-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0374" n="368"/>
zu kehren, wo du herko&#x0364;mm&#x017F;t. So bald die Ju-<lb/>
gend &#x017F;ich ein&#x017F;tellt mit ihren tollen Streichen,<lb/>
wer windet &#x017F;ich mit aller Arbeit daraus? wer<lb/>
&#x017F;teckt nicht in Plagen und Leiden? Morde, Par-<lb/>
theyen, Streitigkeiten, Gefechte und Neid.<lb/>
Auf die letzt u&#x0364;ber&#x017F;chleicht uns das unzufriedene,<lb/>
&#x017F;chwache, men&#x017F;chen&#x017F;cheue, verhaßte Alter, wo<lb/>
alle Uebel haufenweiß zu&#x017F;ammen wohnen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So &#x017F;eufzte &#x017F;elb&#x017F;t der bewunderte Sophokles<lb/>
am Ende &#x017F;einer glu&#x0364;cklichen und gla&#x0364;nzenden Lauf-<lb/>
bahn.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr &#x017F;agt: Scho&#x0364;nheit nackender Ge-<lb/>
&#x017F;talt &#x017F;ey viel fu&#x0364;r Auge und den ganzen ko&#x0364;rperli-<lb/>
chen Men&#x017F;chen, wenig fu&#x0364;r den innern? Sie al-<lb/>
lein ergriff das Un&#x017F;terbliche nicht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn wahr i&#x017F;t, was ihr &#x017F;elb&#x017F;t behauptet,<lb/>
daß, wer ein Ganzes ta&#x0364;u&#x017F;chend am ge&#x017F;chwinde&#x017F;ten<lb/>
in die Seele bringt, den Vorzug erhalte: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;teht wohl bildende Kun&#x017F;t aller andern voran;<lb/>
die Seele genießt vor ihren Werken, der mu&#x0364;h&#x017F;eeligen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">Zeit</hi>-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0374] zu kehren, wo du herkoͤmmſt. So bald die Ju- gend ſich einſtellt mit ihren tollen Streichen, wer windet ſich mit aller Arbeit daraus? wer ſteckt nicht in Plagen und Leiden? Morde, Par- theyen, Streitigkeiten, Gefechte und Neid. Auf die letzt uͤberſchleicht uns das unzufriedene, ſchwache, menſchenſcheue, verhaßte Alter, wo alle Uebel haufenweiß zuſammen wohnen.“ „So ſeufzte ſelbſt der bewunderte Sophokles am Ende ſeiner gluͤcklichen und glaͤnzenden Lauf- bahn.“ „Ihr ſagt: Schoͤnheit nackender Ge- ſtalt ſey viel fuͤr Auge und den ganzen koͤrperli- chen Menſchen, wenig fuͤr den innern? Sie al- lein ergriff das Unſterbliche nicht?“ „Wenn wahr iſt, was ihr ſelbſt behauptet, daß, wer ein Ganzes taͤuſchend am geſchwindeſten in die Seele bringt, den Vorzug erhalte: ſo ſteht wohl bildende Kunſt aller andern voran; die Seele genießt vor ihren Werken, der muͤhſeeligen Zeit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/374
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/374>, abgerufen am 01.06.2024.