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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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nen, nicht gekannt haben, nichts von ihr aus
der Geschichte wissen?"

"Geschieht dieß bey wirklichen Menschen:
was wollt ihr mit euren Idealen, wovon ihr nicht
eine Form als wahr beweisen könnt? die schön-
sten Bilder sind weiter nichts, als ein geistig
Licht in die Seele, die sie aufheitern, und aller-
ley unbestimmte süße Gefühle in ihr erregen, wie
ein reiner vollkommner Akkord auf einem wohl-
klingenden Instrumente. Und solche Schönheit
ist das eigentliche Wesen der bildenden Kunst,
und keine Handlung, die die Poesie weit wahrer und
lebendiger vorstellt. Die Handlung kann höch-
stens nur dienen, der Schönheit den besondern
Charakter zu geben; das ist, die Handlung ist
des Körpers wegen, und der Körper nicht der
Handlung wegen da."

"Es ist wahr, die Schönheit ist ein mo-
mental Gefühl, und unterscheidet sich dadurch
von bloßer Vollkommenheit, die für den Ver-

stand,
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nen, nicht gekannt haben, nichts von ihr aus
der Geſchichte wiſſen?“

„Geſchieht dieß bey wirklichen Menſchen:
was wollt ihr mit euren Idealen, wovon ihr nicht
eine Form als wahr beweiſen koͤnnt? die ſchoͤn-
ſten Bilder ſind weiter nichts, als ein geiſtig
Licht in die Seele, die ſie aufheitern, und aller-
ley unbeſtimmte ſuͤße Gefuͤhle in ihr erregen, wie
ein reiner vollkommner Akkord auf einem wohl-
klingenden Inſtrumente. Und ſolche Schoͤnheit
iſt das eigentliche Weſen der bildenden Kunſt,
und keine Handlung, die die Poeſie weit wahrer und
lebendiger vorſtellt. Die Handlung kann hoͤch-
ſtens nur dienen, der Schoͤnheit den beſondern
Charakter zu geben; das iſt, die Handlung iſt
des Koͤrpers wegen, und der Koͤrper nicht der
Handlung wegen da.“

„Es iſt wahr, die Schoͤnheit iſt ein mo-
mental Gefuͤhl, und unterſcheidet ſich dadurch
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ſtand,
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[377/0383] nen, nicht gekannt haben, nichts von ihr aus der Geſchichte wiſſen?“ „Geſchieht dieß bey wirklichen Menſchen: was wollt ihr mit euren Idealen, wovon ihr nicht eine Form als wahr beweiſen koͤnnt? die ſchoͤn- ſten Bilder ſind weiter nichts, als ein geiſtig Licht in die Seele, die ſie aufheitern, und aller- ley unbeſtimmte ſuͤße Gefuͤhle in ihr erregen, wie ein reiner vollkommner Akkord auf einem wohl- klingenden Inſtrumente. Und ſolche Schoͤnheit iſt das eigentliche Weſen der bildenden Kunſt, und keine Handlung, die die Poeſie weit wahrer und lebendiger vorſtellt. Die Handlung kann hoͤch- ſtens nur dienen, der Schoͤnheit den beſondern Charakter zu geben; das iſt, die Handlung iſt des Koͤrpers wegen, und der Koͤrper nicht der Handlung wegen da.“ „Es iſt wahr, die Schoͤnheit iſt ein mo- mental Gefuͤhl, und unterſcheidet ſich dadurch von bloßer Vollkommenheit, die fuͤr den Ver- ſtand, A a 5

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/383>, abgerufen am 22.11.2024.