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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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hauerey sank, nachdem die Mahlerey empor stieg;
und bey uns nun nie wird fortkommen können,
so lang es noch gleich gute Mahler als Bildhau-
er giebt."

"Welcher Bildhauer wollte zum Exempel
die Waffenläufer des Parrhasius übertreffen,
wo der eine im Lauf zu schwitzen schien, der an-
dre aber die Waffen ablegte und keuchte? Frey-
lich kannte dieser Wollüstling den höchsten Reiz
des Eigenthümlichen seiner Kunst."

"Für Gestalt giebt es keine mathematische
Wissenschaft, wo man alles und jedes mit Zirkeln
und Linien und Zahlen beweisen könnte; das ge-
läuterte Gefühl erfahrner hoher Menschen ent-
scheidet hier allein endlich, und hat zu aller Zeit
jedem Kunstwerk seinen Rang angewiesen. Deß-
wegen aber beruht Ideal nicht auf bloßen Hirn-
gespinsten, sondern die Natur selbst ist die ewige
Regel: und ein Künstler muß von ihren Quel-

len

hauerey ſank, nachdem die Mahlerey empor ſtieg;
und bey uns nun nie wird fortkommen koͤnnen,
ſo lang es noch gleich gute Mahler als Bildhau-
er giebt.“

„Welcher Bildhauer wollte zum Exempel
die Waffenlaͤufer des Parrhaſius uͤbertreffen,
wo der eine im Lauf zu ſchwitzen ſchien, der an-
dre aber die Waffen ablegte und keuchte? Frey-
lich kannte dieſer Wolluͤſtling den hoͤchſten Reiz
des Eigenthuͤmlichen ſeiner Kunſt.“

„Fuͤr Geſtalt giebt es keine mathematiſche
Wiſſenſchaft, wo man alles und jedes mit Zirkeln
und Linien und Zahlen beweiſen koͤnnte; das ge-
laͤuterte Gefuͤhl erfahrner hoher Menſchen ent-
ſcheidet hier allein endlich, und hat zu aller Zeit
jedem Kunſtwerk ſeinen Rang angewieſen. Deß-
wegen aber beruht Ideal nicht auf bloßen Hirn-
geſpinſten, ſondern die Natur ſelbſt iſt die ewige
Regel: und ein Kuͤnſtler muß von ihren Quel-

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[386/0392] hauerey ſank, nachdem die Mahlerey empor ſtieg; und bey uns nun nie wird fortkommen koͤnnen, ſo lang es noch gleich gute Mahler als Bildhau- er giebt.“ „Welcher Bildhauer wollte zum Exempel die Waffenlaͤufer des Parrhaſius uͤbertreffen, wo der eine im Lauf zu ſchwitzen ſchien, der an- dre aber die Waffen ablegte und keuchte? Frey- lich kannte dieſer Wolluͤſtling den hoͤchſten Reiz des Eigenthuͤmlichen ſeiner Kunſt.“ „Fuͤr Geſtalt giebt es keine mathematiſche Wiſſenſchaft, wo man alles und jedes mit Zirkeln und Linien und Zahlen beweiſen koͤnnte; das ge- laͤuterte Gefuͤhl erfahrner hoher Menſchen ent- ſcheidet hier allein endlich, und hat zu aller Zeit jedem Kunſtwerk ſeinen Rang angewieſen. Deß- wegen aber beruht Ideal nicht auf bloßen Hirn- geſpinſten, ſondern die Natur ſelbſt iſt die ewige Regel: und ein Kuͤnſtler muß von ihren Quel- len

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/392>, abgerufen am 22.11.2024.