Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Mir war wohl, daß ich heraus kam. Im
Winter ist Venedig angenehm, weil die Men-
schen so enge beysammen sind, und alles zur Er-
götzlichkeit treibt, Lage und Regierung; aber im
Sommer ists ein ungesunder und gefährlicher
Ort. Ein Eingebohrner kann die Wahrheit bes-
ser wissen, als ein Dichter aus Neapel. Es mag
der Natur nach ein ganz andrer Unterschied seyn
zwischen Rom und Venedig; ob es gleich präch-
tig klingt:

Illam homines dices, hanc posuisse deos*).

Wenn einer die Geschichte kennt und da ge-
lebt hat, und es beym Ausflusse der Brenta vom
Ufer betrachtet: so sieht es richtiger aus, wie ein
endlich sichrer Zufluchtsort von dem Lande weg-
geprügelter und weggescheuchter furchtsamen Ha-
sen, die sich hernach groß und zu geflügelten Lö-

wen
*) Du wirst sagen, daß jene Menschen, diese Göt-
ter erbaut haben.

Mir war wohl, daß ich heraus kam. Im
Winter iſt Venedig angenehm, weil die Men-
ſchen ſo enge beyſammen ſind, und alles zur Er-
goͤtzlichkeit treibt, Lage und Regierung; aber im
Sommer iſts ein ungeſunder und gefaͤhrlicher
Ort. Ein Eingebohrner kann die Wahrheit beſ-
ſer wiſſen, als ein Dichter aus Neapel. Es mag
der Natur nach ein ganz andrer Unterſchied ſeyn
zwiſchen Rom und Venedig; ob es gleich praͤch-
tig klingt:

Illam homines dices, hanc poſuiſſe deos*).

Wenn einer die Geſchichte kennt und da ge-
lebt hat, und es beym Ausfluſſe der Brenta vom
Ufer betrachtet: ſo ſieht es richtiger aus, wie ein
endlich ſichrer Zufluchtsort von dem Lande weg-
gepruͤgelter und weggeſcheuchter furchtſamen Ha-
ſen, die ſich hernach groß und zu gefluͤgelten Loͤ-

wen
*) Du wirſt ſagen, daß jene Menſchen, dieſe Goͤt-
ter erbaut haben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0051" n="45"/>
        <p>Mir war wohl, daß ich heraus kam. Im<lb/>
Winter i&#x017F;t Venedig angenehm, weil die Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;o enge bey&#x017F;ammen &#x017F;ind, und alles zur Er-<lb/>
go&#x0364;tzlichkeit treibt, Lage und Regierung; aber im<lb/>
Sommer i&#x017F;ts ein unge&#x017F;under und gefa&#x0364;hrlicher<lb/>
Ort. Ein Eingebohrner kann die Wahrheit be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er wi&#x017F;&#x017F;en, als ein Dichter aus Neapel. Es mag<lb/>
der Natur nach ein ganz andrer Unter&#x017F;chied &#x017F;eyn<lb/>
zwi&#x017F;chen Rom und Venedig; ob es gleich pra&#x0364;ch-<lb/>
tig klingt:</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Illam homines dices, hanc po&#x017F;ui&#x017F;&#x017F;e deos</hi><note place="foot" n="*)">Du wir&#x017F;t &#x017F;agen, daß jene Men&#x017F;chen, die&#x017F;e Go&#x0364;t-<lb/>
ter erbaut haben.</note>.</p><lb/>
        <p>Wenn einer die Ge&#x017F;chichte kennt und da ge-<lb/>
lebt hat, und es beym Ausflu&#x017F;&#x017F;e der <hi rendition="#fr">Brenta</hi> vom<lb/>
Ufer betrachtet: &#x017F;o &#x017F;ieht es richtiger aus, wie ein<lb/>
endlich &#x017F;ichrer Zufluchtsort von dem Lande weg-<lb/>
gepru&#x0364;gelter und wegge&#x017F;cheuchter furcht&#x017F;amen Ha-<lb/>
&#x017F;en, die &#x017F;ich hernach groß und zu geflu&#x0364;gelten Lo&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0051] Mir war wohl, daß ich heraus kam. Im Winter iſt Venedig angenehm, weil die Men- ſchen ſo enge beyſammen ſind, und alles zur Er- goͤtzlichkeit treibt, Lage und Regierung; aber im Sommer iſts ein ungeſunder und gefaͤhrlicher Ort. Ein Eingebohrner kann die Wahrheit beſ- ſer wiſſen, als ein Dichter aus Neapel. Es mag der Natur nach ein ganz andrer Unterſchied ſeyn zwiſchen Rom und Venedig; ob es gleich praͤch- tig klingt: Illam homines dices, hanc poſuiſſe deos *). Wenn einer die Geſchichte kennt und da ge- lebt hat, und es beym Ausfluſſe der Brenta vom Ufer betrachtet: ſo ſieht es richtiger aus, wie ein endlich ſichrer Zufluchtsort von dem Lande weg- gepruͤgelter und weggeſcheuchter furchtſamen Ha- ſen, die ſich hernach groß und zu gefluͤgelten Loͤ- wen *) Du wirſt ſagen, daß jene Menſchen, dieſe Goͤt- ter erbaut haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/51
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/51>, abgerufen am 17.05.2024.