Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

wen gemacht haben, als ihnen die Feinde übers
Wasser nicht nach konnten, und sie von fern
sicher sehen mußten. Eine unüberwindliche Fe-
stung ists gewiß, weil durch die Sümpfe vom
Land aus nichts anders als kleine Barken an-
länden können, und man von der See her in
die Häfen den Faden der Ariadne braucht; und
eben weil es unüberwindlich und unzukommbar ist,
außer Verrätherey, trägt es, vom Meer um-
geben, eine gewisse Majestät an sich. Götter
aber flüchten sich nicht in Sümpfe. Inzwischen
hat Sannazar der reizenden Dichtung wegen sei-
ne sechs tausend Ducaten doch verdient. Die Wahr-
heit bezahlt man selten so theuer.

Der große Doge Peter Ziani hat sie gar
wohl erkannt, als er den kühnen Entschluß faßte,
noch zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts
eine neue Völkerwanderung anzustellen. Kon-
stantinopel ist ohne Streit ein glückseliger Plätz-
chen auf diesem Erdboden. Die Venezianer hat-

ten

wen gemacht haben, als ihnen die Feinde uͤbers
Waſſer nicht nach konnten, und ſie von fern
ſicher ſehen mußten. Eine unuͤberwindliche Fe-
ſtung iſts gewiß, weil durch die Suͤmpfe vom
Land aus nichts anders als kleine Barken an-
laͤnden koͤnnen, und man von der See her in
die Haͤfen den Faden der Ariadne braucht; und
eben weil es unuͤberwindlich und unzukommbar iſt,
außer Verraͤtherey, traͤgt es, vom Meer um-
geben, eine gewiſſe Majeſtaͤt an ſich. Goͤtter
aber fluͤchten ſich nicht in Suͤmpfe. Inzwiſchen
hat Sannazar der reizenden Dichtung wegen ſei-
ne ſechs tauſend Ducaten doch verdient. Die Wahr-
heit bezahlt man ſelten ſo theuer.

Der große Doge Peter Ziani hat ſie gar
wohl erkannt, als er den kuͤhnen Entſchluß faßte,
noch zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts
eine neue Voͤlkerwanderung anzuſtellen. Kon-
ſtantinopel iſt ohne Streit ein gluͤckſeliger Plaͤtz-
chen auf dieſem Erdboden. Die Venezianer hat-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0052" n="46"/>
wen gemacht haben, als ihnen die Feinde u&#x0364;bers<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er nicht nach konnten, und &#x017F;ie von fern<lb/>
&#x017F;icher &#x017F;ehen mußten. Eine unu&#x0364;berwindliche Fe-<lb/>
&#x017F;tung i&#x017F;ts gewiß, weil durch die Su&#x0364;mpfe vom<lb/>
Land aus nichts anders als kleine Barken an-<lb/>
la&#x0364;nden ko&#x0364;nnen, <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> man von der See her in<lb/>
die Ha&#x0364;fen den Faden der Ariadne braucht; und<lb/>
eben weil es unu&#x0364;berwindlich und unzukommbar i&#x017F;t,<lb/>
außer Verra&#x0364;therey, tra&#x0364;gt es, vom Meer um-<lb/>
geben, eine gewi&#x017F;&#x017F;e Maje&#x017F;ta&#x0364;t an &#x017F;ich. Go&#x0364;tter<lb/>
aber flu&#x0364;chten &#x017F;ich nicht in Su&#x0364;mpfe. Inzwi&#x017F;chen<lb/>
hat <hi rendition="#fr">Sannazar</hi> der reizenden Dichtung wegen &#x017F;ei-<lb/>
ne &#x017F;echs tau&#x017F;end Ducaten doch verdient. Die Wahr-<lb/>
heit bezahlt man &#x017F;elten &#x017F;o theuer.</p><lb/>
        <p>Der große Doge <hi rendition="#fr">Peter Ziani</hi> hat &#x017F;ie gar<lb/>
wohl erkannt, als er den ku&#x0364;hnen Ent&#x017F;chluß faßte,<lb/>
noch zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts<lb/>
eine neue Vo&#x0364;lkerwanderung anzu&#x017F;tellen. Kon-<lb/>
&#x017F;tantinopel i&#x017F;t ohne Streit ein glu&#x0364;ck&#x017F;eliger Pla&#x0364;tz-<lb/>
chen auf die&#x017F;em <choice><sic>Erdboben</sic><corr>Erdboden</corr></choice>. Die Venezianer hat-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0052] wen gemacht haben, als ihnen die Feinde uͤbers Waſſer nicht nach konnten, und ſie von fern ſicher ſehen mußten. Eine unuͤberwindliche Fe- ſtung iſts gewiß, weil durch die Suͤmpfe vom Land aus nichts anders als kleine Barken an- laͤnden koͤnnen, und man von der See her in die Haͤfen den Faden der Ariadne braucht; und eben weil es unuͤberwindlich und unzukommbar iſt, außer Verraͤtherey, traͤgt es, vom Meer um- geben, eine gewiſſe Majeſtaͤt an ſich. Goͤtter aber fluͤchten ſich nicht in Suͤmpfe. Inzwiſchen hat Sannazar der reizenden Dichtung wegen ſei- ne ſechs tauſend Ducaten doch verdient. Die Wahr- heit bezahlt man ſelten ſo theuer. Der große Doge Peter Ziani hat ſie gar wohl erkannt, als er den kuͤhnen Entſchluß faßte, noch zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts eine neue Voͤlkerwanderung anzuſtellen. Kon- ſtantinopel iſt ohne Streit ein gluͤckſeliger Plaͤtz- chen auf dieſem Erdboden. Die Venezianer hat- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/52
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/52>, abgerufen am 17.05.2024.