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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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Inzwischen bemerkt ich doch bey seinem fröh-
lichen und traulichen Wesen eine leidenschaftliche
Hastigkeit an ihm, und etwas Verborgnes in
seinen Gesichtszügen; auch fiel mir endlich sein
Ausbleiben auf. Er sagte zwar: "ich bin ein
Herumschweifer, und kann nicht wohl an einer
Stelle bleiben;" aber er nahm mich doch zu sel-
ten mit sich. Ich wollte wissen, was in ihm
vorging; und dieß klärte sich denn auf einmal in
einer stillen Mitternacht auf, wo alle Winde
schwiegen, und kein Laut sich regte.

Wir saßen am kühlsten Platz unsers Gar-
tens auf einer Anhöhe, in einer Laube von Lor-
beer und Myrthengesträuch, von einem alten
Hayn grüner Eichen umfaßt; und hatten oft die
Gläser ausgeleert, und gesungen und gesprochen;
viel vom Menschen und den Begebenheiten der
Welt, jugendlich, erfahren und unerfahren.
Mein Herz stand offen; und ich entdeckt ihm
auf die letzt meine kleine Liebesgeschichten, womit

ich

Inzwiſchen bemerkt ich doch bey ſeinem froͤh-
lichen und traulichen Weſen eine leidenſchaftliche
Haſtigkeit an ihm, und etwas Verborgnes in
ſeinen Geſichtszuͤgen; auch fiel mir endlich ſein
Ausbleiben auf. Er ſagte zwar: „ich bin ein
Herumſchweifer, und kann nicht wohl an einer
Stelle bleiben;“ aber er nahm mich doch zu ſel-
ten mit ſich. Ich wollte wiſſen, was in ihm
vorging; und dieß klaͤrte ſich denn auf einmal in
einer ſtillen Mitternacht auf, wo alle Winde
ſchwiegen, und kein Laut ſich regte.

Wir ſaßen am kuͤhlſten Platz unſers Gar-
tens auf einer Anhoͤhe, in einer Laube von Lor-
beer und Myrthengeſtraͤuch, von einem alten
Hayn gruͤner Eichen umfaßt; und hatten oft die
Glaͤſer ausgeleert, und geſungen und geſprochen;
viel vom Menſchen und den Begebenheiten der
Welt, jugendlich, erfahren und unerfahren.
Mein Herz ſtand offen; und ich entdeckt ihm
auf die letzt meine kleine Liebesgeſchichten, womit

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[79/0085] Inzwiſchen bemerkt ich doch bey ſeinem froͤh- lichen und traulichen Weſen eine leidenſchaftliche Haſtigkeit an ihm, und etwas Verborgnes in ſeinen Geſichtszuͤgen; auch fiel mir endlich ſein Ausbleiben auf. Er ſagte zwar: „ich bin ein Herumſchweifer, und kann nicht wohl an einer Stelle bleiben;“ aber er nahm mich doch zu ſel- ten mit ſich. Ich wollte wiſſen, was in ihm vorging; und dieß klaͤrte ſich denn auf einmal in einer ſtillen Mitternacht auf, wo alle Winde ſchwiegen, und kein Laut ſich regte. Wir ſaßen am kuͤhlſten Platz unſers Gar- tens auf einer Anhoͤhe, in einer Laube von Lor- beer und Myrthengeſtraͤuch, von einem alten Hayn gruͤner Eichen umfaßt; und hatten oft die Glaͤſer ausgeleert, und geſungen und geſprochen; viel vom Menſchen und den Begebenheiten der Welt, jugendlich, erfahren und unerfahren. Mein Herz ſtand offen; und ich entdeckt ihm auf die letzt meine kleine Liebesgeſchichten, womit ich

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/85>, abgerufen am 17.05.2024.