Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wir setzten uns denn. Ich war auf dem
stürmischen Meere, herumgewühlt von tausend
Wogen. Sonderbare Scene! Sie schlang her-
nach ihren rechten Arm um meinen Nacken, und
ich meinen linken um ihre Lenden, und die zwey
andern Hände schlossen sich in ihrem Schooße zu-
sammen; vor uns stand auf einem Tischchen ein
Nachtlicht. Ach, wie sie blühte! ein voller Ro-
senbusch im May am frischen Morgen im neuen
Glanz des Himmels und den Chören der Nach-
tigallen herum. Ihre jungen festen Brüste koch-
ten und wallten; und im Netz ihrer verwirrten
blonden Haare zappelte meine arme Seele wie ein
gefangener Vogel."

"Ich flog ihr mit flehendem Gesicht am Bu-
sen, und klagte schmachtend:" Was hast du mit
mir vor, Zauberin?"

"Liebe! sey ohne Sorge! antwortete sie
darauf; sonst würd ich nicht gethan haben, was
ich that; süße Traulichkeit, wo ihrer zwey sich das

Le-

„Wir ſetzten uns denn. Ich war auf dem
ſtuͤrmiſchen Meere, herumgewuͤhlt von tauſend
Wogen. Sonderbare Scene! Sie ſchlang her-
nach ihren rechten Arm um meinen Nacken, und
ich meinen linken um ihre Lenden, und die zwey
andern Haͤnde ſchloſſen ſich in ihrem Schooße zu-
ſammen; vor uns ſtand auf einem Tiſchchen ein
Nachtlicht. Ach, wie ſie bluͤhte! ein voller Ro-
ſenbuſch im May am friſchen Morgen im neuen
Glanz des Himmels und den Choͤren der Nach-
tigallen herum. Ihre jungen feſten Bruͤſte koch-
ten und wallten; und im Netz ihrer verwirrten
blonden Haare zappelte meine arme Seele wie ein
gefangener Vogel.“

„Ich flog ihr mit flehendem Geſicht am Bu-
ſen, und klagte ſchmachtend:“ Was haſt du mit
mir vor, Zauberin?“

„Liebe! ſey ohne Sorge! antwortete ſie
darauf; ſonſt wuͤrd ich nicht gethan haben, was
ich that; ſuͤße Traulichkeit, wo ihrer zwey ſich das

Le-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0099" n="93"/>
        <p>&#x201E;Wir &#x017F;etzten uns denn. Ich war auf dem<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;chen Meere, herumgewu&#x0364;hlt von tau&#x017F;end<lb/>
Wogen. Sonderbare Scene! Sie &#x017F;chlang her-<lb/>
nach ihren rechten Arm um meinen Nacken, und<lb/>
ich meinen linken um ihre Lenden, und die zwey<lb/>
andern Ha&#x0364;nde &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich in ihrem Schooße zu-<lb/>
&#x017F;ammen; vor uns &#x017F;tand auf einem Ti&#x017F;chchen ein<lb/>
Nachtlicht. Ach, wie &#x017F;ie blu&#x0364;hte! ein voller Ro-<lb/>
&#x017F;enbu&#x017F;ch im May am fri&#x017F;chen Morgen im neuen<lb/>
Glanz des Himmels und den Cho&#x0364;ren der Nach-<lb/>
tigallen herum. Ihre jungen fe&#x017F;ten Bru&#x0364;&#x017F;te koch-<lb/>
ten und wallten; und im Netz ihrer verwirrten<lb/>
blonden Haare zappelte meine arme Seele wie ein<lb/>
gefangener Vogel.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich flog ihr mit flehendem Ge&#x017F;icht am Bu-<lb/>
&#x017F;en, und klagte &#x017F;chmachtend:&#x201C; Was ha&#x017F;t du mit<lb/>
mir vor, Zauberin?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Liebe! &#x017F;ey ohne Sorge! antwortete &#x017F;ie<lb/>
darauf; &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rd ich nicht gethan haben, was<lb/>
ich that; &#x017F;u&#x0364;ße Traulichkeit, wo ihrer zwey &#x017F;ich das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Le-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0099] „Wir ſetzten uns denn. Ich war auf dem ſtuͤrmiſchen Meere, herumgewuͤhlt von tauſend Wogen. Sonderbare Scene! Sie ſchlang her- nach ihren rechten Arm um meinen Nacken, und ich meinen linken um ihre Lenden, und die zwey andern Haͤnde ſchloſſen ſich in ihrem Schooße zu- ſammen; vor uns ſtand auf einem Tiſchchen ein Nachtlicht. Ach, wie ſie bluͤhte! ein voller Ro- ſenbuſch im May am friſchen Morgen im neuen Glanz des Himmels und den Choͤren der Nach- tigallen herum. Ihre jungen feſten Bruͤſte koch- ten und wallten; und im Netz ihrer verwirrten blonden Haare zappelte meine arme Seele wie ein gefangener Vogel.“ „Ich flog ihr mit flehendem Geſicht am Bu- ſen, und klagte ſchmachtend:“ Was haſt du mit mir vor, Zauberin?“ „Liebe! ſey ohne Sorge! antwortete ſie darauf; ſonſt wuͤrd ich nicht gethan haben, was ich that; ſuͤße Traulichkeit, wo ihrer zwey ſich das Le-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/99
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/99>, abgerufen am 21.11.2024.