Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Parmenides, sein Schüler, brütete nach
ihm mehr darüber, und suchte zu beweisen, daß
Wesen der Vernunft nach nothwendig nur Eins
seyn könne; für die Sinnen aber müsse man zwey
Ursachen: Kalt, und Warm annehmen. Kalt
sey das Unwesen, und Warm das Wesen.
Andre setzten dafür das Dicke und Dünne;
nehmlich das Wesen dehne sich aus, und ziehe
sich ein; und daraus alles Werden und Zeugen,
alle Erscheinungen. Wenn es sich verdünne,
werd es Luft und Feuer; und verdickt sey es
Erde und Wasser; aber alles im Grund Eins
und dasselbe.

Ardinghello. Wenn also die unendliche
Ausdehnung, außer den einzeln Bewegungen,
durchaus sich einmal recht einzöge: so würden
wir vielleicht alle zusammen mit ihr den aller-
größten Stein ausmachen, und die Welt
als ein Diamant im leeren Raume han-
gen.

Deme-

Parmenides, ſein Schuͤler, bruͤtete nach
ihm mehr daruͤber, und ſuchte zu beweiſen, daß
Weſen der Vernunft nach nothwendig nur Eins
ſeyn koͤnne; fuͤr die Sinnen aber muͤſſe man zwey
Urſachen: Kalt, und Warm annehmen. Kalt
ſey das Unweſen, und Warm das Weſen.
Andre ſetzten dafuͤr das Dicke und Duͤnne;
nehmlich das Weſen dehne ſich aus, und ziehe
ſich ein; und daraus alles Werden und Zeugen,
alle Erſcheinungen. Wenn es ſich verduͤnne,
werd es Luft und Feuer; und verdickt ſey es
Erde und Waſſer; aber alles im Grund Eins
und daſſelbe.

Ardinghello. Wenn alſo die unendliche
Ausdehnung, außer den einzeln Bewegungen,
durchaus ſich einmal recht einzoͤge: ſo wuͤrden
wir vielleicht alle zuſammen mit ihr den aller-
groͤßten Stein ausmachen, und die Welt
als ein Diamant im leeren Raume han-
gen.

Deme-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0180" n="172"/>
          <p><hi rendition="#fr">Parmenides</hi>, &#x017F;ein Schu&#x0364;ler, bru&#x0364;tete nach<lb/>
ihm mehr daru&#x0364;ber, und &#x017F;uchte zu bewei&#x017F;en, daß<lb/><hi rendition="#fr">We&#x017F;en</hi> der Vernunft nach nothwendig <hi rendition="#fr">nur Eins</hi><lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nne; fu&#x0364;r die Sinnen aber mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e man zwey<lb/>
Ur&#x017F;achen: <hi rendition="#fr">Kalt</hi>, und <hi rendition="#fr">Warm</hi> annehmen. <hi rendition="#fr">Kalt</hi><lb/>
&#x017F;ey das <hi rendition="#fr">Unwe&#x017F;en</hi>, und <hi rendition="#fr">Warm</hi> das <hi rendition="#fr">We&#x017F;en</hi>.<lb/>
Andre &#x017F;etzten dafu&#x0364;r das <hi rendition="#fr">Dicke</hi> und <hi rendition="#fr">Du&#x0364;nne</hi>;<lb/>
nehmlich das We&#x017F;en dehne &#x017F;ich aus, und ziehe<lb/>
&#x017F;ich ein; und daraus alles Werden und Zeugen,<lb/>
alle Er&#x017F;cheinungen. Wenn es &#x017F;ich verdu&#x0364;nne,<lb/>
werd es Luft und Feuer; und verdickt &#x017F;ey es<lb/>
Erde und Wa&#x017F;&#x017F;er; aber alles im Grund Eins<lb/>
und da&#x017F;&#x017F;elbe.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Ardinghello</hi>. Wenn al&#x017F;o die unendliche<lb/>
Ausdehnung, außer den einzeln Bewegungen,<lb/>
durchaus &#x017F;ich einmal recht einzo&#x0364;ge: &#x017F;o wu&#x0364;rden<lb/>
wir vielleicht alle zu&#x017F;ammen mit ihr den aller-<lb/>
gro&#x0364;ßten Stein ausmachen, und die Welt<lb/>
als ein Diamant im leeren Raume han-<lb/>
gen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Deme-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0180] Parmenides, ſein Schuͤler, bruͤtete nach ihm mehr daruͤber, und ſuchte zu beweiſen, daß Weſen der Vernunft nach nothwendig nur Eins ſeyn koͤnne; fuͤr die Sinnen aber muͤſſe man zwey Urſachen: Kalt, und Warm annehmen. Kalt ſey das Unweſen, und Warm das Weſen. Andre ſetzten dafuͤr das Dicke und Duͤnne; nehmlich das Weſen dehne ſich aus, und ziehe ſich ein; und daraus alles Werden und Zeugen, alle Erſcheinungen. Wenn es ſich verduͤnne, werd es Luft und Feuer; und verdickt ſey es Erde und Waſſer; aber alles im Grund Eins und daſſelbe. Ardinghello. Wenn alſo die unendliche Ausdehnung, außer den einzeln Bewegungen, durchaus ſich einmal recht einzoͤge: ſo wuͤrden wir vielleicht alle zuſammen mit ihr den aller- groͤßten Stein ausmachen, und die Welt als ein Diamant im leeren Raume han- gen. Deme-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/180
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/180>, abgerufen am 18.05.2024.