Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

und Auge jedes verständigen und in der Welt
erfahrnen Menschen müssen sich so recht daran
wie an süßem Kern weiden. Ueberall blickt da
und dort eine himmlische Blume hervor, und je
tiefer man sich mit seinem Stachel hineingräbt,
desto nahrhafter Honig findet man. So hat
mich spät noch erfreut sein Evangelist Johan-
nes
in der Theologie, neben dem David, wel-
cher vor der Menge größerer Figuren einem erst
nach und nach mit seinem süßen Lächeln und
halbzugedrückten innigseeligen Blick aus seiner
Engelsschönheit ins Herz blitzt. Das blonde
Haar wallt ihm reizend nieder auf die Schul-
tern, und er scheint einen Liebesbrief zu
schreiben.

Die Schule von Athen ist mir das ange-
nehmste von allen seinen Werken: eine solche
Fülle von Heiterkeit und Ruhe kömmt mir dar-
aus entgegen; ob das Ganze im Grunde gleich
einen Streit vorstellt, nehmlich den Sieg der

Ari-

und Auge jedes verſtaͤndigen und in der Welt
erfahrnen Menſchen muͤſſen ſich ſo recht daran
wie an ſuͤßem Kern weiden. Ueberall blickt da
und dort eine himmliſche Blume hervor, und je
tiefer man ſich mit ſeinem Stachel hineingraͤbt,
deſto nahrhafter Honig findet man. So hat
mich ſpaͤt noch erfreut ſein Evangeliſt Johan-
nes
in der Theologie, neben dem David, wel-
cher vor der Menge groͤßerer Figuren einem erſt
nach und nach mit ſeinem ſuͤßen Laͤcheln und
halbzugedruͤckten innigſeeligen Blick aus ſeiner
Engelsſchoͤnheit ins Herz blitzt. Das blonde
Haar wallt ihm reizend nieder auf die Schul-
tern, und er ſcheint einen Liebesbrief zu
ſchreiben.

Die Schule von Athen iſt mir das ange-
nehmſte von allen ſeinen Werken: eine ſolche
Fuͤlle von Heiterkeit und Ruhe koͤmmt mir dar-
aus entgegen; ob das Ganze im Grunde gleich
einen Streit vorſtellt, nehmlich den Sieg der

Ari-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0020" n="12"/>
und Auge jedes ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen und in der Welt<lb/>
erfahrnen Men&#x017F;chen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich &#x017F;o recht daran<lb/>
wie an &#x017F;u&#x0364;ßem Kern weiden. Ueberall blickt da<lb/>
und dort eine himmli&#x017F;che Blume hervor, und je<lb/>
tiefer man &#x017F;ich mit &#x017F;einem Stachel hineingra&#x0364;bt,<lb/>
de&#x017F;to nahrhafter Honig findet man. So hat<lb/>
mich &#x017F;pa&#x0364;t noch erfreut &#x017F;ein <hi rendition="#fr">Evangeli&#x017F;t Johan-<lb/>
nes</hi> in der Theologie, neben dem David, wel-<lb/>
cher vor der Menge gro&#x0364;ßerer Figuren einem er&#x017F;t<lb/>
nach und nach mit &#x017F;einem &#x017F;u&#x0364;ßen La&#x0364;cheln und<lb/>
halbzugedru&#x0364;ckten innig&#x017F;eeligen Blick aus &#x017F;einer<lb/>
Engels&#x017F;cho&#x0364;nheit ins Herz blitzt. Das blonde<lb/>
Haar wallt ihm reizend nieder auf die Schul-<lb/>
tern, und er &#x017F;cheint einen Liebesbrief zu<lb/>
&#x017F;chreiben.</p><lb/>
          <p>Die Schule von Athen i&#x017F;t mir das ange-<lb/>
nehm&#x017F;te von allen &#x017F;einen Werken: eine &#x017F;olche<lb/>
Fu&#x0364;lle von Heiterkeit und Ruhe ko&#x0364;mmt mir dar-<lb/>
aus entgegen; ob das Ganze im Grunde gleich<lb/>
einen Streit vor&#x017F;tellt, nehmlich den Sieg der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ari-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0020] und Auge jedes verſtaͤndigen und in der Welt erfahrnen Menſchen muͤſſen ſich ſo recht daran wie an ſuͤßem Kern weiden. Ueberall blickt da und dort eine himmliſche Blume hervor, und je tiefer man ſich mit ſeinem Stachel hineingraͤbt, deſto nahrhafter Honig findet man. So hat mich ſpaͤt noch erfreut ſein Evangeliſt Johan- nes in der Theologie, neben dem David, wel- cher vor der Menge groͤßerer Figuren einem erſt nach und nach mit ſeinem ſuͤßen Laͤcheln und halbzugedruͤckten innigſeeligen Blick aus ſeiner Engelsſchoͤnheit ins Herz blitzt. Das blonde Haar wallt ihm reizend nieder auf die Schul- tern, und er ſcheint einen Liebesbrief zu ſchreiben. Die Schule von Athen iſt mir das ange- nehmſte von allen ſeinen Werken: eine ſolche Fuͤlle von Heiterkeit und Ruhe koͤmmt mir dar- aus entgegen; ob das Ganze im Grunde gleich einen Streit vorſtellt, nehmlich den Sieg der Ari-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/20
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/20>, abgerufen am 09.11.2024.